Kant: AA X, Briefwechsel 1766 - 1768 , Seite 074 |
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Text (Kant):
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| 01 | empfindungsvoll ist und gleichsam das beschauliche Leben des Philosophen | ||||||
| 02 | ist, gerade das Gegentheil von demjenigen wovon Mystiker | ||||||
| 03 | träumen. Ich hoffe diese Epoche Ihres Genies aus demjenigen was | ||||||
| 04 | ich von Ihnen kenne mit Zuversicht eine Gemüthsverfassung die dem | ||||||
| 05 | so sie besitzt und der Welt unter allen am nützlichsten ist worinn | ||||||
| 06 | Montange den untersten und Hume so viel ich weiß den obersten | ||||||
| 07 | Platz einnehme. | ||||||
| 08 | Was mich betrift da ich an nichts hänge und mit einer tiefen | ||||||
| 09 | Gleichgültigkeit gegen meine oder anderer Meinungen das gantze Gebäude | ||||||
| 10 | ofters umkehre und aus allerley Gesichtspunkten betrachte um | ||||||
| 11 | zuletzt etwa denienigen zu treffen woraus ich hoffen kan es, nach der | ||||||
| 12 | Warheit zu zeichnen, so habe ich seitdem wir getrennet seyn in vielen | ||||||
| 13 | Stücken anderen Einsichten Platz gegeben und indem mein Augenmerk | ||||||
| 14 | vornemlich darauf gerichtet ist die eigentliche Bestimmung und | ||||||
| 15 | die Schranken der Menschlichen Fähigkeiten und Neigungen zu erkennen | ||||||
| 16 | so glaube ich daß es mir in dem was die Sitten betrift | ||||||
| 17 | endlich ziemlich gelungen sey und ich arbeite ietzt an einer Metaphysik | ||||||
| 18 | der Sitten wo ich mir einbilde die augenscheinlichen und fruchtbaren | ||||||
| 19 | Grundsätze imgleichen die Methode angeben zu können wornach die | ||||||
| 20 | zwar sehr gangbare aber mehrentheils doch fruchtlose Bemühungen | ||||||
| 21 | in dieser Art der Erkentnis eingerichtet werden müssen wenn sie | ||||||
| 22 | einmal Nutzen schaffen sollen. Ich hoffe in diesem Iahre damit fertig | ||||||
| 23 | zu werden wofern meine stets wandelbare Gesundheit mir daran nicht | ||||||
| 24 | hinderlich ist. | ||||||
| 25 | Ich bitte ergebenst mich dem Herrn Behrens bestens zu empfehlen | ||||||
| 26 | und Ihn zu versichern daß man sehr treu in der Freundschaft seyn | ||||||
| 27 | könne wenn man gleich davon niemals schreibt. Herr Germann der | ||||||
| 28 | Ihnen Gegenwärtiges überreichen wird ist ein wohlgesitteter und | ||||||
| 29 | fleissiger Mann der Ihre Wohlgewogenheit sich wird zu erwerben | ||||||
| 30 | wissen und an dem die Rigaische Schule einen tüchtigen Arbeiter | ||||||
| 31 | bekommen hat. Ich bin mit wahrer Hochachtung | ||||||
| 32 | Ew: HochwohlEhrw: | ||||||
| 33 | ergebenster Freund u. Diener | ||||||
| 34 | Koenigsberg | I. Kant. | |||||
| 35 | den 9ten May | ||||||
| 36 | 1767 | ||||||
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