Kant: AA X, Briefwechsel 1766 , Seite 064 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | Praedicate, weil die Bedeutung des Praedicates sich nach der Bedeutung | ||||||
| 02 | des Subiectes bestimmt. Muß ich sie aber als Subiecte gebrauchen, | ||||||
| 03 | so mache ich entweder mehrere Sätze daraus, oder ich suche | ||||||
| 04 | das Vieldeutige durch Umschreibung zu vermeyden etc. | ||||||
| 05 | Dieses ist das Allgemeine der methode, die sodann in besondern | ||||||
| 06 | Fällen noch sehr vile besondere Abwechslungen und Bestimmungen erhält, | ||||||
| 07 | die in Beyspielen fast immer klarer sind, als wenn man sie mit | ||||||
| 08 | logischen Worten ausdrückt. Worauf man am meisten zu sehen hat, | ||||||
| 09 | ist, daß man nicht etwann einen Umstand vergesse, der nachgehends | ||||||
| 10 | alles wiederum ändert. So muß man auch sehen und gleichsam | ||||||
| 11 | empfinden können, ob nicht etwann noch ein Begriff, das will sagen, | ||||||
| 12 | eine Combination von einfachen Merkmalen, verborgen, der die ganze | ||||||
| 13 | Sache in Ordnung bringt und abkürzt. So können auch versteckte | ||||||
| 14 | Vildeutigkeiten der Worte machen, daß man immer auf Dissonanzen | ||||||
| 15 | verfällt, und lange nicht weis, warum das vermeynte Allgemeine in | ||||||
| 16 | besondern Fällen nicht passen will. Man findet ähnliche Hindernisse, | ||||||
| 17 | wenn man als eine Gattung ansieht, was nur eine Art ist, und die | ||||||
| 18 | Arten confundirt. Die Bestimmung und Möglichkeit der Bedingungen, | ||||||
| 19 | welche bey jeden Fragen vorausgesetzt werden, fordern auch eine besondere | ||||||
| 20 | Sorgfallt. | ||||||
| 21 | Ich habe aber allgemeinere Anmerkungen zu machen Anlaß gehabt. | ||||||
| 22 | Die erste betrift die Frage, ob oder wieferne die Kenntnis der | ||||||
| 23 | Form zur Kenntnis der Materie unseres Wißens führe? Diese | ||||||
| 24 | Frage wird aus mehreren Gründen erheblich. Denn 1. ist unsere | ||||||
| 25 | Erkentnis von der Form, so wie sie in der Logic vorkömmt, so unbestritten | ||||||
| 26 | und richtig als immer die Geometrie. 2. Ist auch nur dasjenige | ||||||
| 27 | in der metaphysic, was die Form betrift, unangefochten geblieben, | ||||||
| 28 | da hingegen, wo man die Materie zum Grunde legen wollte, | ||||||
| 29 | gleich Streitigkeiten und Hypothesen entstunden. 3. Ist es in der | ||||||
| 30 | That noch nicht so ausgemacht gewesen, was man bey der Materie | ||||||
| 31 | eigentlich zum Grunde legen sollte. Wolf nahme Nominaldefinitionen | ||||||
| 32 | gleichsam. gratis an, und schob oder versteckte, ohne es zu bemerken, | ||||||
| 33 | alle Schwürigkeiten in dieselben. 4. Wenn auch die Form schlechthin | ||||||
| 34 | keine Materie bestimmt, so bestimmt sie doch die Anordnung derselben, | ||||||
| 35 | und in so ferne solte aus der Theorie der Form kenntlich gemacht werden | ||||||
| 36 | können, was zum Anfange dient oder nicht. 5°. Ebenso kann auch dadurch | ||||||
| 37 | bestimmt werden, was zusammengehört oder vertheilt werden muß &c. | ||||||
| [ Seite 063 ] [ Seite 065 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||