Kant: AA X, Briefwechsel 1763 , Seite 046 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
| 01 | Goldschmidt Croon um die Bezahlung des Silberservices gemahnt, | ||||||
| 02 | welches ihr Gemahl bei ihm hatte machen lassen. Die Wittwe war | ||||||
| 03 | zwar überzeugt, daß ihr verstorbener Gemahl viel zu genau und | ||||||
| 04 | ordentlich gewesen war, als daß er diese Schuld nicht sollte bezahlt | ||||||
| 05 | haben, allein sie konnte keine Quittung aufweisen. In dieser Bekümmerni | ||||||
| 06 | und weil der Werth ansehnlich war, bat sie den Hrn. | ||||||
| 07 | v. Swedenborg zu sich. Nach einigen Entschuldigungen trug sie | ||||||
| 08 | ihm vor, daß, wenn er die außerordentliche Gabe hätte, wie alle | ||||||
| 09 | Menschen sagten, mit den abgeschiedenen Seelen zu reden, er die | ||||||
| 10 | Gütigkeit haben möchte, bei ihrem Manne Erkundigungen einzuziehen, | ||||||
| 11 | wie es mit der Forderung wegen des Silberservices stünde. Swed. | ||||||
| 12 | war gar nicht schwierig, ihr in diesem Ersuchen zu willfahren. | ||||||
| 13 | Drei Tage hernach hatte die gedachte Dame eine Gesellschaft bei sich | ||||||
| 14 | zum Caffee. Hr. v. Swed. kam hin und gab ihr mit seiner | ||||||
| 15 | kaltblütigen Art Nachricht, daß er ihren Mann gesprochen habe. Die | ||||||
| 16 | Schuld war sieben Monate vor seinem Tode bezahlt worden und die | ||||||
| 17 | Quittung sey in einem Schranke, der sich im obern Zimmer befände. | ||||||
| 18 | Die Dame erwiederte, daß dieser Schrank ganz ausgeräumet sey und | ||||||
| 19 | daß man unter allen Papieren diese Quittung nicht gefunden hätte. | ||||||
| 20 | Swedenborg sagte, ihr Gemahl hätte ihm beschrieben, daß, wenn man | ||||||
| 21 | an der linken Seite eine Schublade herauszöge, ein Brett zum Vorschein | ||||||
| 22 | käme, welches weggeschoben werden müßte, da sich dann eine | ||||||
| 23 | verborgene Schublade finden würde, worin seine geheim gehaltene | ||||||
| 24 | holländische Correspondenz verwahrt wäre und auch die Quittung anzutreffen | ||||||
| 25 | sey. Auf diese Anzeige begab sich die Dame in Begleitung | ||||||
| 26 | der ganzen Gesellschaft in das obere Zimmer. Man eröfnet den | ||||||
| 27 | Schrank, man verfuhr ganz nach der Beschreibung und fand die | ||||||
| 28 | Schublade, von der sie nichts gewußt hatte und die angezeigten | ||||||
| 29 | Papiere darinnen, zum größten Erstaunen aller, die gegenwärtig waren. | ||||||
| 30 | Die folgende Begebenheit aber scheint mir unter allen die größte | ||||||
| 31 | Beweiskraft zu haben und benimmt wirklich allem erdenklichen Zweifel | ||||||
| 32 | die Ausflucht. Es war im Iahre 1756, als Hr. von Swed. | ||||||
| 33 | gegen Ende des Septembermonats am Sonnabend um 4 Uhr Nachmittags | ||||||
| 34 | aus England ankommend, zu Gothenburg ans Land stieg. | ||||||
| 35 | Herr William Castel bat ihn zu sich und zugleich eine Gesellschaft | ||||||
| 36 | von funfzehn Personen. Des Abends um 6 Uhr war Hr. v. Swed. | ||||||
| 37 | herausgegangen und kam entfärbt und bestürzt ins Gesellschaftszimmer | ||||||
| [ Seite 045 ] [ Seite 047 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |
|||||||