Kant: AA VIII, Über die Buchmacherei. ... , Seite 437 |
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| 01 | - welche, sage ich, die größte Nachfrage, oder allenfalls auch nur die | ||||||
| 02 | schnellste Abnahme haben wird; wo dann gar nicht darnach gefragt wird: | ||||||
| 03 | wer oder wie viel an einer dem Persifliren geweihten, sonst vielleicht dazu | ||||||
| 04 | wohl nicht geeigneten Schrift gearbeitet haben mögen, der Tadel einer | ||||||
| 05 | solchen Schrift aber alsdann doch nicht auf seine (des Verlegers) Rechnung | ||||||
| 06 | fällt, sondern den gedungenen Buchmacher treffen muß. | ||||||
| 07 | Der, welcher in Fabrikationen und Handel ein mit der Freiheit des | ||||||
| 08 | Volks vereinbares öffentliches Gewerbe treibt, ist allemal ein guter | ||||||
| 09 | Bürger; es mag verdrießen, wen es wolle. Denn der Eigennutz, der dem | ||||||
| 10 | Polizeigesetze nicht widerspricht, ist kein Verbrechen; und Herr Nicolai als | ||||||
| 11 | Verleger gewinnt in dieser Qualität wenigstens sicherer, als in der eines | ||||||
| 12 | Autors: weil das verächtliche der Verzerrungen seines aufgestellten | ||||||
| 13 | Sempronius Gundibert und Consorten als Harlekin nicht den trifft, | ||||||
| 14 | der die Bude aufschlägt, sondern der darauf die Rolle des Narren spielt. | ||||||
| 15 | Wie wird es nun aber mit der leidigen Frage über Theorie und | ||||||
| 16 | Praxis in Betreff der Autorschaft des Herrn Friedrich Nicolai: durch | ||||||
| 17 | welche die gegenwärtige Censur eigentlich ist veranlaßt worden, und die | ||||||
| 18 | auch mit jener in enger Verbindung steht? - Der jetzt eben vorgestellte | ||||||
| 19 | Fall der Verlagsklugheit im Gegensatz mit der der Verlagsgründlichkeit | ||||||
| 20 | (der Überlegenheit des Scheins über die Wahrheit) kann nach | ||||||
| 21 | denselben Grundsätzen, wie der in der Möserschen Dichtung abgeurtheilt | ||||||
| 22 | werden; nur daß man statt des Worts Praxis, welches eine offene und | ||||||
| 23 | ehrliche Behandlung einer Aufgabe bedeutet, das der Praktiken (mit | ||||||
| 24 | langgezogener Penultima) braucht und so alle Theorie in den Augen eines | ||||||
| 25 | Geschäftsmannes kindisch und lächerlich zu machen sucht; welches dann | ||||||
| 26 | nach dem Grundsatze: die Welt will betrogen sein, - so werde sie dann | ||||||
| 27 | betrogen! - auch seinen Zweck nicht verfehlen wird. | ||||||
| 28 | Was aber die völlige Unwissenheit und Unfähigkeit dieser spöttisch | ||||||
| 29 | nachäffenden Philosophen, über Vernunfturtheile abzusprechen, klar beweiset, | ||||||
| 30 | ist: daß sie gar nicht zu begreifen scheinen, was Erkenntniß a priori | ||||||
| 31 | (von ihnen sinnreich das Vonvornerkenntniß genannt) zum Unterschiede | ||||||
| 32 | vom Empirischen eigentlich sagen wolle. Die Kritik der r. V. hat es ihnen | ||||||
| 33 | zwar oft und deutlich genug gesagt: daß es Sätze sind, die mit dem Bewußtsein | ||||||
| 34 | ihrer inneren Nothwendigkeit und absoluten Allgemeinheit | ||||||
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