Kant: AA VIII, Über eine Entdeckung, nach ... , Seite 206 |
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| 01 | über die Sinnlichkeit erhoben, wenn er das Einfache gänzlich aus der | ||||||
| 02 | sinnlichen Anschauung und ihren Gegenständen verbannt und mit der ins | ||||||
| 03 | Unendliche gehenden Theilbarkeit der Materie (wie die Mathematik gebietet) | ||||||
| 04 | sich eine Aussicht in eine Welt im Kleinen eröffnet, eben aus der | ||||||
| 05 | Unzulänglichkeit eines solchen inneren Erklärungsgrundes des sinnlichen | ||||||
| 06 | Zusammengesetzten aber (dem es wegen des gänzlichen Mangels des Einfachen | ||||||
| 07 | in der Theilung an Vollständigkeit fehlt) auf ein solches außer | ||||||
| 08 | dem ganzen Felde der sinnlichen Anschauung geschlossen hätte, welches | ||||||
| 09 | also nicht als ein Theil in derselben, sondern als der uns unbekannte | ||||||
| 10 | blos in der Idee befindliche Grund zu derselben gedacht wird; wobei aber | ||||||
| 11 | freilich das Geständniß, welches Herr Eberhard so schwer ankommt, von | ||||||
| 12 | diesem übersinnlichen Einfachen nicht das mindeste Erkenntniß haben zu | ||||||
| 13 | können, unvermeidlich gewesen wäre. | ||||||
| 14 | In der That herrscht, um diesem Geständnisse auszuweichen, in dem | ||||||
| 15 | vorgeblichen Beweise eine seltsame Doppelsprache. Die Stelle, wo es heißt: | ||||||
| 16 | "Der Fluß der Veränderungen aller endlichen Dinge ist ein stetiger, | ||||||
| 17 | ununterbrochener Fluß - kein empfindbarer Theil ist der kleinste, oder | ||||||
| 18 | ein völlig einfacher," lautet so, als ob sie der Mathematiker dictirt hätte. | ||||||
| 19 | Gleich darauf aber sind doch in eben denselben Veränderungen einfache | ||||||
| 20 | Theile, die aber nur der Verstand erkennt, weil sie nicht empfindbar sind. | ||||||
| 21 | Sind sie aber einmal darin, so ist ja jene lex continui des Flusses der | ||||||
| 22 | Veränderungen falsch, und sie geschehen ruckweise, und daß sie nicht, | ||||||
| 23 | wie Herr Eberhard sich fälschlich ausdrückt, empfunden, d. i. mit Bewußtsein | ||||||
| 24 | wahrgenommen werden, hebt die specifische Eigenschaft derselben, | ||||||
| 25 | als Theile zur bloßen empirischen Sinnenanschauung zu gehören, gar nicht | ||||||
| 26 | auf. Sollte Herr Eberhard wohl von der Stetigkeit einen bestimmten | ||||||
| 27 | Begriff haben? | ||||||
| 28 | Mit einem Worte: die Kritik hatte behauptet: daß, ohne einem Begriffe | ||||||
| 29 | die correspondirende Anschauung zu geben, seine objective Realität | ||||||
| 30 | niemals erhelle. Herr Eberhard wollte das Gegentheil beweisen und bezieht | ||||||
| 31 | sich auf etwas, was zwar notorisch falsch ist, nämlich daß der Verstand | ||||||
| 32 | an Dingen als Gegenständen der Anschauung in Zeit und Raum | ||||||
| 33 | das Einfache erkenne, welches wir ihm aber einräumen wollen. Aber | ||||||
| 34 | alsdann hat er ja die Forderung der Kritik nicht widerlegt, sondern | ||||||
| 35 | sie nach seiner Art erfüllt. Denn jene verlangte ja nichts mehr, als | ||||||
| 36 | daß die objective Realität an der Anschauung bewiesen würde, dadurch | ||||||
| 37 | aber wird dem Begriffe eine correspondirende Anschauung gegeben, | ||||||
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