Kant: AA VIII, Bestimmung des Begriffs einer ... , Seite 094

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ansehung dieser Naturliverei mehr, als die genannten vier; lediglich aus      
  02 dem Grunde, weil sich jene Zahl beweisen, außer ihr aber keine andere mit      
  03 Gewißheit darthun läßt.      
           
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III
     
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In der Klasse der Weißen ist außer dem, was zur Menschengattung überhaupt
     
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gehört, keine andere charakteristische Eigenschaft nothwendig
     
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erblich; und so auch in den übrigen.
     
           
  08 Unter uns Weißen giebt es viele erbliche Beschaffenheiten, die nicht      
  09 zum Charakter der Gattung gehören, worin sich Familien, ja gar Völker      
  10 von einander unterscheiden; aber auch keine einzige derselben artet unausbleiblich      
  11 an, sondern die, welche damit behaftet sind, zeugen mit      
  12 andern von der Klasse der Weißen auch Kinder, denen diese unterscheidende      
  13 Beschaffenheit mangelt. So ist der Unterschied der blonden Farbe in      
  14 Dänemark, hingegen in Spanien (noch mehr aber in Asien an den      
  15 Völkern, die zu den Weißen gezählt werden) die brunette Hautfarbe (mit      
  16 ihrer Folge, der Augen= und Haarfarbe) herrschend. Es kann sogar in      
  17 einem abgesonderten Volk diese letzte Farbe ohne Ausnahme anerben (wie      
  18 bei den Sinesern, denen blaue Augen lächerlich vorkommen): weil in denselben      
  19 kein Blonder angetroffen wird, der seine Farbe in die Zeugung      
  20 bringen könnte. Allein wenn von diesen Brunetten einer eine blonde Frau      
  21 hat, so zeugt er brunette oder auch blonde Kinder, nachdem sie auf die eine      
  22 oder andere Seite ausschlagen; und so auch umgekehrt. In gewissen      
  23 Familien liegt erbliche Schwindsucht, Schiefwerden, Wahnsinn u. s. w.;      
  24 aber keines von diesen unzählbaren erblichen Übeln ist unausbleiblich      
  25 erblich. Denn ob es gleich besser wäre, solche Verbindungen durch einige      
  26 auf den Familienschlag gerichtete Aufmerksamkeit beim Heirathen sorgfältig      
  27 zu vermeiden, so habe ich doch mehrmals selbst wahrgenommen:      
  28 daß ein gesunder Mann mit einer schwindsüchtigen Frau ein Kind zeugte,      
  29 das in allen Gesichtszügen ihm ähnelte und dabei gesund, und außerdem      
  30 ein anderes, das der Mutter ähnlich sah und wie sie schwindsüchtig war.      
  31 Eben so finde ich in der Ehe eines Vernünftigen mit einer Frau, die nur      
  32 aus einer Familie, worin Wahnsinn erblich, selbst aber vernünftig war,      
  33 unter verschiedenen Klugen nur ein wahnsinniges Kind. Hier ist Nachartung;      
  34 aber sie ist in dem, worin beide Eltern verschieden sind, nicht      
  35 unausbleiblich. - Eben diese Regel kann man auch mit Zuversicht bei den      
           
     

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