Kant: AA VII, Anthropologie in pragmatischer ... , Seite 254 |
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| 01 | ihrer Ideen mit Anschauungen (Beispielen), die ihnen untergelegt | ||||||
| 02 | werden, eine Belebung des Willens hervorbringen (in geistlichen | ||||||
| 03 | oder auch politischen Reden ans Volk, oder auch einsam an sich selbst) | ||||||
| 04 | und also nicht als Wirkung, sondern als Ursache eines Affects in Ansehung | ||||||
| 05 | des Guten seelenbelebend sein, wobei diese Vernunft doch immer | ||||||
| 06 | noch den Zügel führt, und ein Enthusiasm des guten Vorsatzes bewirkt | ||||||
| 07 | wird, der aber eigentlich zum Begehrungsvermögen und nicht zum | ||||||
| 08 | Affect, als einem stärkeren sinnlichen Gefühl, gerechnet werden muß. | ||||||
| 09 | Die Naturgabe einer Apathie bei hinreichender Seelenstärke ist, | ||||||
| 10 | wie gesagt, das glückliche Phlegma (im moralischen Sinne). Wer damit | ||||||
| 11 | begabt ist, der ist zwar darum eben noch nicht ein Weiser, hat aber doch | ||||||
| 12 | die Begünstigung von der Natur, daß es ihm leichter wird als Anderen, | ||||||
| 13 | es zu werden. | ||||||
| 14 | Überhaupt ist es nicht die Stärke eines gewissen Gefühls, welche den | ||||||
| 15 | Zustand des Affects ausmacht, sondern der Mangel an Überlegung, dieses | ||||||
| 16 | Gefühl mit der Summe aller Gefühle (der Lust oder Unlust) in seinem | ||||||
| 17 | Zustande zu vergleichen. Der Reiche, welchem sein Bedienter bei einem | ||||||
| 18 | Feste einen schönen und seltenen gläsernen Pokal im Herumtragen ungeschickterweise | ||||||
| 19 | zerbricht, würde diesen Zufall für nichts halten, wenn er in | ||||||
| 20 | demselben Augenblicke diesen Verlust eines Vergnügens mit der Menge | ||||||
| 21 | aller Vergnügen, die ihm sein glücklicher Zustand als eines reichen | ||||||
| 22 | Mannes darbietet, vergliche. Nun überläßt er sich aber ganz allein diesem | ||||||
| 23 | einen Gefühl des Schmerzes (ohne jene Berechnung in Gedanken | ||||||
| 24 | schnell zu machen); kein Wunder also, daß ihm dabei so zu Muthe wird, | ||||||
| 25 | als ob seine ganze Glückseligkeit verloren wäre. | ||||||
| 26 | B. |
[ entsprechender Abschnitt in den Reflexionen zur Antropologie (AA XV, 472) ] | |||||
| 27 | Von den verschiedenen Affecten selbst. |
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| 28 | § 76. Das Gefühl, welches das Subject antreibt in dem Zustande, | ||||||
| 29 | darin es ist, zu bleiben, ist angenehm; das aber, was antreibt, ihn zu | ||||||
| 30 | verlassen, unangenehm. Mit Bewußtsein verbunden, heißt das erstere | ||||||
| 31 | Vergnügen ( voluptas ), das zweite Mißvergnügen ( taedium ). Als | ||||||
| 32 | Affect heißt jenes Freude, dieses Traurigkeit. - Die ausgelassene | ||||||
| 33 | Freude (die durch keine Besorgniß eines Schmerzes gemäßigt wird) und | ||||||
| 34 | die versinkende Traurigkeit (die durch keine Hoffnung gelindert wird), der | ||||||
| 35 | Gram, sind Affecten, die dem Leben drohen. Doch hat man aus den | ||||||
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