| Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 406 | |||||||
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| 01 | sein werden, an ihrer praktischen Realität nichts verlieren, und die Anthropologie, | ||||||
| 02 | welche aus bloßen Erfahrungserkenntnissen hervorgeht, | ||||||
| 03 | kann der Anthroponomie, welche von der unbedingt gesetzgebenden | ||||||
| 04 | Vernunft aufgestellt wird, keinen Abbruch thun, und wiewohl Tugend (in | ||||||
| 05 | Beziehung auf Menschen, nicht aufs Gesetz) auch hin und wieder verdienstlich | ||||||
| 06 | heißen und einer Belohnung würdig sein kann, so muß sie doch für | ||||||
| 07 | sich selbst, so wie sie ihr eigener Zweck ist, auch als ihr eigener Lohn betrachtet | ||||||
| 08 | werden. | ||||||
| 09 | Die Tugend, in ihrer ganzen Vollkommenheit betrachtet, wird also | ||||||
| 10 | vorgestellt, nicht wie der Mensch die Tugend, sondern als ob die Tugend | ||||||
| 11 | den Menschen besitze: weil es im ersteren Falle so aussehen würde, als ob | ||||||
| 12 | er noch die Wahl gehabt hätte (wozu er alsdann noch einer andern Tugend | ||||||
| 13 | bedürfen würde, um die Tugend vor jeder anderen angebotenen Waare | ||||||
| 14 | zu erlesen). - Eine Mehrheit der Tugenden sich zu denken (wie es denn | ||||||
| 15 | unvermeidlich ist) ist nichts anderes, als sich verschiedne moralische Gegenstände | ||||||
| 16 | denken, auf die der Wille aus dem einigen Princip der Tugend | ||||||
| 17 | geleitet wird; eben so ist es mit den entgegenstehenden Lastern bewandt. | ||||||
| 18 | Der Ausdruck, der beide verpersönlicht, ist eine ästhetische Maschinerie, | ||||||
| 19 | die aber doch auf einen moralischen Sinn hinweiset. - Daher ist eine | ||||||
| 20 | Ästhetik der Sitten zwar nicht ein Theil, aber doch eine subjective Darstellung | ||||||
| 21 | der Metaphysik derselben: wo die Gefühle, welche die nöthigende | ||||||
| 22 | Kraft des moralischen Gesetzes begleiten, jener ihre Wirksamkeit empfindbar | ||||||
| 23 | machen (z. B. Ekel, Grauen etc., welche den moralischen Widerwillen | ||||||
| 24 | versinnlichen), um der blos=sinnlichen Anreizung den Vorrang abzugewinnen. | ||||||
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| 29 | Diese Absonderung, auf welcher auch die Obereintheilung der Sittenlehre | ||||||
| 30 | überhaupt beruht, gründet sich darauf: daß der Begriff der | ||||||
| 31 | Freiheit, der jenen beiden gemein ist, die Eintheilung in die Pflichten | ||||||
| 32 | der äußeren und inneren Freiheit nothwendig macht; von denen die | ||||||
| 33 | letztern allein ethisch sind. - Daher muß diese und zwar als Bedingung | ||||||
| 34 | aller Tugendpflicht (so wie oben die Lehre vom Gewissen als Bedingung | ||||||
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