Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 324

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 (Division des Bodens) nach Rechtsbegriffen vorstellig zu      
  02 machen. Nach diesen kann der Obereigenthümer kein Privateigenthum an      
  03 irgend einem Boden haben (denn sonst machte er sich zu einer Privatperson),      
  04 sondern dieses gehört nur dem Volk (und zwar nicht collectiv,      
  05 sondern distributiv genommen) zu; wovon doch ein nomadisch=beherrschtes      
  06 Volk auszunehmen ist, als in welchem gar kein Privateigenthum des      
  07 Bodens statt findet. - Der Oberbefehlshaber kann also keine Domänen,      
  08 d. i. Ländereien zu seiner Privatbenutzung (zu Unterhaltung des Hofes),      
  09 haben. Denn weil es alsdann auf sein eigen Gutbefinden ankäme, wie      
  10 weit sie ausgebreitet sein sollten, so würde der Staat Gefahr laufen, alles      
  11 Eigenthum des Bodens in den Händen der Regierung zu sehen und alle      
  12 Unterthanen als grundunterthänig ( glebae adscripti ) und Besitzer      
  13 von dem, was immer nur Eigenthum eines Anderen ist, folglich aller      
  14 Freiheit beraubt ( servi ) anzusehen. - Von einem Landesherrn kann man      
  15 sagen: er besitzt nichts (zu eigen), außer sich selbst; denn wenn er      
  16 neben einem anderen im Staat etwas zu eigen hätte, so würde mit diesem      
  17 ein Streit möglich sein, zu dessen Schlichtung kein Richter wäre. Aber      
  18 man kann auch sagen: er besitzt alles; weil er das Befehlshaberrecht      
  19 über das Volk hat (jedem das Seine zu Theil kommen zu lassen), dem alle      
  20 äußere Sachen ( divisim ) zugehören.      
           
  21 Hieraus folgt: daß es auch keine Corporation im Staat, keinen      
  22 Stand und orden geben könne, der als Eigenthümer den Boden zur      
  23 alleinigen Benutzung den folgenden Generationen (ins Unendliche) nach      
  24 gewissen Statuten überliefern könne. Der Staat kann sie zu aller Zeit      
  25 aufheben, nur unter der Bedingung, die Überlebenden zu entschädigen.      
  26 Der Ritterorden (als Corporation, oder auch bloß Rang einzelner,      
  27 vorzüglich beehrter Personen), der Orden der Geistlichkeit, die Kirche      
  28 genannt, können nie durch diese Vorrechte, womit sie begünstigt worden,      
  29 ein auf Nachfolger übertragbares Eigenthum am Boden, sondern nur die      
  30 einstweilige Benutzung desselben erwerben. Die Comthureien auf einer,      
  31 die Kirchengüter auf der anderen Seite können, wenn die öffentliche Meinung      
  32 wegen der Mittel, durch die Kriegsehre den Staat wider die      
  33 Lauigkeit in Vertheidigung desselben zu schützen, oder die Menschen in      
  34 demselben durch Seelmessen, Gebete und eine Menge zu bestellender Seelsorger,      
  35 um sie vor dem ewigen Feuer zu bewahren, anzutreiben, aufgehört      
  36 hat, ohne Bedenken (doch unter der vorgenannten Bedingung) aufgehoben      
  37 werden. Die, so hier in die Reform fallen, können nicht klagen, daß ihnen      
           
     

[ Seite 323 ] [ Seite 325 ] [ Inhaltsverzeichnis ]