Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 323

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Verfassung gegründet ist, so kann die Unrechtmäßigkeit des Beginnens      
  02 und der Vollführung derselben die Unterthanen von der Verbindlichkeit,      
  03 der neuen Ordnung der Dinge sich als gute Staatsbürger zu fügen, nicht      
  04 befreien, und sie können sich nicht weigern, derjenigen Obrigkeit ehrlich      
  05 zu gehorchen, die jetzt die Gewalt hat. Der entthronte Monarch (der jene      
  06 Umwälzung überlebt) kann wegen seiner vorigen Geschäftsführung nicht      
  07 in Anspruch genommen, noch weniger aber gestraft werden, wenn er, in      
  08 den Stand eines Staatsbürgers zurückgetreten, seine und des Staats      
  09 Ruhe dem Wagstück vorzieht, sich von diesem zu entfernen, um als Prätendent      
  10 das Abenteuer der Wiedererlangung desselben, es sei durch ingeheim      
  11 angestiftete Gegenrevolution, oder durch Beistand anderer Mächte,      
  12 zu bestehen. Wenn er aber das letztere vorzieht, so bleibt ihm, weil der      
  13 Aufruhr, der ihn aus seinem Besitz vertrieb, ungerecht war, sein Recht      
  14 an demselben unbenommen. Ob aber andere Mächte das Recht haben,      
  15 sich diesem verunglückten Oberhaupt zum besten in ein Staatenbündni      
  16 zu vereinigen, bloß um jenes vom Volk begangene Verbrechen nicht ungeahndet,      
  17 noch als Skandal für alle Staaten bestehen zu lassen, mithin eine      
  18 in jedem anderen Staat durch Revolution zu Stande gekommene Verfassung      
  19 in ihre alte mit Gewalt zurückzubringen berechtigt und berufen      
  20 seien, das gehört zum Völkerrecht.      
           
  21 B.      
  22 Kann der Beherrscher als Obereigenthümer (des Bodens), oder mu      
  23 er nur als Oberbefehlshaber in Ansehung des Volks durch Gesetze betrachtet      
  24 werden? Da der Boden die oberste Bedingung ist, unter der allein      
  25 es möglich ist, äußere Sachen als das Seine zu haben, deren möglicher      
  26 Besitz und Gebrauch das erste erwerbliche Recht ausmacht, so wird von dem      
  27 Souverän, als Landesherren, besser als Obereigenthümer ( dominus      
  28 territorii ), alles solche Recht abgeleitet werden müssen. Das Volk, als      
  29 die Menge der Unterthanen, gehört ihm auch zu (es ist sein Volk), aber      
  30 nicht ihm als Eigenthümer (nach dem dinglichen), sondern als Oberbefehlshaber      
  31 (nach dem persönlichen Recht). - Dieses Obereigenthum ist aber      
  32 nur eine Idee des bürgerlichen Vereins, um die nothwendige Vereinigung      
  33 des Privateigenthums aller im Volk unter einem öffentlichen allgemeinen      
  34 Besitzer zu Bestimmung des besonderen Eigenthums nicht nach Grundsätzen      
  35 der Aggregation (die von den Theilen zum Ganzen empirisch      
  36 fortschreitet), sondern dem nothwendigen formalen Princip der Eintheilung      
           
     

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