| Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 227 | |||||||
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| 01 | nicht behauptet, daß das Merkmal nothwendig zum Begriff gehöre, | ||||||
| 02 | welches doch zum Zweiten erforderlich ist. - Die Freiheit in Beziehung | ||||||
| 03 | auf die innere Gesetzgebung der Vernunft ist eigentlich allein | ||||||
| 04 | ein Vermögen; die Möglichkeit von dieser abzuweichen ein Unvermögen. | ||||||
| 05 | Wie kann nun jenes aus diesem erklärt werden? Es ist eine | ||||||
| 06 | Definition, die über den praktischen Begriff noch die Ausübung | ||||||
| 07 | desselben, wie sie die Erfahrung lehrt, hinzuthut, eine Bastarderklärung | ||||||
| 08 | ( definitio hybrida ), welche den Begriff im falschen Lichte | ||||||
| 09 | darstellt. | ||||||
| 10 | Gesetz (ein moralisch praktisches) ist ein Satz, der einen kategorischen | ||||||
| 11 | Imperativ (Gebot) enthält. Der Gebietende ( imperans ) durch ein Gesetz | ||||||
| 12 | ist der Gesetzgeber ( legislator ). Er ist Urheber ( autor ) der Verbindlichkeit | ||||||
| 13 | nach dem Gesetze, aber nicht immer Urheber des Gesetzes. Im letzteren | ||||||
| 14 | Fall würde das Gesetz positiv (zufällig) und willkürlich sein. Das Gesetz, | ||||||
| 15 | was uns a priori und unbedingt durch unsere eigene Vernunft verbindet, | ||||||
| 16 | kann auch als aus dem Willen eines höchsten Gesetzgebers, d. i. eines | ||||||
| 17 | solchen, der lauter Rechte und keine Pflichten hat, (mithin dem göttlichen | ||||||
| 18 | Willen) hervorgehend ausgedrückt werden, welches aber nur die Idee von | ||||||
| 19 | einem moralischen Wesen bedeutet, dessen Wille für alle Gesetz ist, ohne | ||||||
| 20 | ihn doch als Urheber desselben zu denken. | ||||||
| 21 | Zurechnung ( imputatio ) in moralischer Bedeutung ist das Urtheil, | ||||||
| 22 | wodurch jemand als Urheber ( causa libera ) einer Handlung, die alsdann | ||||||
| 23 | That ( factum ) heißt und unter Gesetzen steht, angesehen wird; welches, | ||||||
| 24 | wenn es zugleich die rechtlichen Folgen aus dieser That bei sich führt, | ||||||
| 25 | eine rechtskräftige ( imputatio iudiciaria s. valida ), sonst aber nur eine | ||||||
| 26 | beurtheilende Zurechnung ( imputatio diiudicatoria ) sein würde. | ||||||
| 27 | Diejenige (physische oder moralische) Person, welche rechtskräftig zuzurechnen | ||||||
| 28 | die Befugniß hat, heißt der Richter oder auch der Gerichtshof | ||||||
| 29 | ( iudex s. forum ). | ||||||
| 30 | Was jemand pflichtmäßig mehr thut, als wozu er nach dem Gesetze | ||||||
| 31 | gezwungen werden kann, ist verdienstlich ( meritum ); was er nur gerade | ||||||
| 32 | dem letzteren angemessen thut, ist Schuldigkeit ( debitum ); was er | ||||||
| 33 | endlich weniger thut, als die letztere fordert, ist moralische Verschuldung | ||||||
| 34 | ( demeritum ). Der rechtliche Effect einer Verschuldung ist die | ||||||
| 35 | Strafe ( poena ); der einer verdienstlichen That Belohnung ( praemium ) | ||||||
| 36 | (vorausgesetzt daß sie, im Gesetz verheißen, die Bewegursache war); die | ||||||
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