Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 319

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 eines Urwesens geschlossen wurde, in der Antithesis das Nichtsein      
  02 desselben und zwar mit derselben Schärfe geschlossen wird. Erst hieß es:      
  03 es ist ein nothwendiges Wesen, weil die ganze vergangene Zeit die      
  04 Reihe aller Bedingungen und hiemit also auch das Unbedingte (Nothwendige)      
  05 in sich faßt. Nun heißt es: es ist kein nothwendiges Wesen,      
  06 eben darum weil die ganze verflossene Zeit die Reihe aller Bedingungen      
  07 (die mithin insgesammt wiederum bedingt sind) in sich faßt. Die      
  08 Ursache hievon ist diese. Das erste Argument sieht nur auf die absolute      
  09 Totalität der Reihe der Bedingungen, deren eine die andere in der Zeit      
  10 bestimmt, und bekommt dadurch ein Unbedingtes und Nothwendiges. Das      
  11 zweite zieht dagegen die Zufälligkeit alles dessen, was in der Zeitreihe      
  12 bestimmt ist, in Betrachtung (weil vor jedem eine Zeit vorhergeht,      
  13 darin die Bedingung selbst wiederum als bedingt bestimmt sein muß),      
  14 wodurch denn alles Unbedingte und alle absolute Nothwendigkeit gänzlich      
  15 wegfällt. Indessen ist die Schlußart in beiden selbst der gemeinen Menschenvernunft      
  16 ganz angemessen, welche mehrmals in den Fall geräth, sich      
  17 mit sich selbst zu entzweien, nachdem sie ihren Gegenstand aus zwei verschiedenen      
  18 Standpunkten erwägt. Herr von Mairan hielt den Streit      
  19 zweier berühmter Astronomen, der aus einer ähnlichen Schwierigkeit über      
  20 die Wahl des Standpunkts entsprang, für ein genugsam merkwürdiges      
           
     

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