| Kant: AA III, Kritik der reinen Vernunft ... , Seite 318 | |||||||
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| 01 | etwas als Bedingung angesehen werden, in welcher die Relation des Bedingten | ||||||
| 02 | zu seiner Bedingung in der Reihe genommen wurde, die auf diese | ||||||
| 03 | höchste Bedingung in continuirlichem Fortschritte führen sollte. Ist nun | ||||||
| 04 | dieses Verhältniß sinnlich und gehört zum möglichen empirischen Verstandesgebrauch, | ||||||
| 05 | so kann die oberste Bedingung oder Ursache nur nach | ||||||
| 06 | Gesetzen der Sinnlichkeit, mithin nur als zur Zeitreihe gehörig den Regressus | ||||||
| 07 | beschließen, und das nothwendige Wesen muß als das oberste | ||||||
| 08 | Glied der Weltreihe angesehen werden. | ||||||
| 09 | Gleichwohl hat man sich die Freiheit genommen, einen solchen Absprung | ||||||
| 10 | (μεταβασισ εισ αλλο γενοσ) zu thun. Man schloß nämlich aus den | ||||||
| 11 | Veränderungen in der Welt auf die empirische Zufälligkeit, d. i. die Abhängigkeit | ||||||
| 12 | derselben von empirisch bestimmenden Ursachen, und bekam eine | ||||||
| 13 | aufsteigende Reihe empirischer Bedingungen, welches auch ganz recht war. | ||||||
| 14 | Da man aber hierin keinen ersten Anfang und kein oberstes Glied finden | ||||||
| 15 | konnte, so ging man plötzlich vom empirischen Begriff der Zufälligkeit ab | ||||||
| 16 | und nahm die reine Kategorie, welche alsdann eine bloß intelligibele Reihe | ||||||
| 17 | veranlaßte, deren Vollständigkeit auf dem Dasein einer schlechthin nothwendigen | ||||||
| 18 | Ursache beruhte, die nunmehr, da sie an keine sinnliche Bedingungen | ||||||
| 19 | gebunden war, auch von der Zeitbedingung, ihre Causalität selbst | ||||||
| 20 | anzufangen, befreiet wurde. Dieses Verfahren ist aber ganz widerrechtlich, | ||||||
| 21 | wie man aus folgendem schließen kann. | ||||||
| 22 | Zufällig im reinen Sinne der Kategorie ist das, dessen contradictorisches | ||||||
| 23 | Gegentheil möglich ist. Nun kann man aus der empirischen Zufälligkeit | ||||||
| 24 | auf jene intelligibele gar nicht schließen. Was verändert wird, | ||||||
| 25 | dessen Gegentheil (seines Zustandes) ist zu einer andern Zeit wirklich, | ||||||
| 26 | mithin auch möglich; mithin ist dieses nicht das contradictorische Gegentheil | ||||||
| 27 | des vorigen Zustandes, wozu erfordert wird, daß in derselben Zeit, | ||||||
| 28 | da der vorige Zustand war, an der Stelle desselben sein Gegentheil hätte | ||||||
| 29 | sein können, welches aus der Veränderung gar nicht geschlossen werden | ||||||
| 30 | kann. Ein Körper, der in Bewegung war = A, kommt in Ruhe = non A. | ||||||
| 31 | Daraus nun, daß ein entgegengesetzter Zustand vom Zustande A auf diesen | ||||||
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