Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 116 |
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| 01 | sunt ut celeritatis. In dem Beweise dieses Lehrsatzes findet | ||||||
| 02 | sich ein Fehlschluß, der wo möglich noch härter ist als | Wird | |||||
| 03 | der, welchen wir kaum bemerkt haben. Er hatte bewiesen: | widerlegt. | |||||
| 04 | daß, wenn zwei gleiche Körper einerlei Wirkung in ungleicher | ||||||
| 05 | Zeit ausrichten, ihre Geschwindigkeiten sich umgekehrt wie die | ||||||
| 06 | Zeiten verhalten, darin diese gleiche Wirkungen hervorgebracht werden, | ||||||
| 07 | das heißt: daß der Körper, der seine Wirkung in halber Zeit vollendet, | ||||||
| 08 | zwei Grade Geschwindigkeit habe, da der andere im Gegentheil, der | ||||||
| 09 | die ganze Zeit dazu aufwenden muß, nur einen Grad besitzt. Hieraus | ||||||
| 10 | schließt er: Weil jedermann gesteht, diejenige Action sei | ||||||
| 11 | zweimal größer, die in zweimal kürzerer Zeit als eine | ||||||
| 12 | andere ihre Wirkung vollbringt: so werden die Actiones | ||||||
| 13 | in diesem Falle in umgekehrtem Verhältniß der Zeiten, d. i. | ||||||
| 14 | dem geraden von den Geschwindigkeiten, sein. Hierauf geht er | ||||||
| 15 | weiter fort und erwägt den Fall, da zwei verschiedene Körper | ||||||
| 16 | einerlei Wirkung in gleicher Zeit ausüben. Er zeigt, daß in diesem | ||||||
| 17 | Falle die Geschwindigkeiten in umgekehrtem Verhältniß der Massen | ||||||
| 18 | sein werden, und schließt ferner also: Quoniam hic eadem est ratio | ||||||
| 19 | massarum, quä in casu priori erat temporum, ratio vero celeritatum | ||||||
| 20 | eodem modo sese habet: perinde est, sive massä sint eädem et | ||||||
| 21 | tempus diversum, sive massä diversä et tempus idem etc. Dieser Schluß | ||||||
| 22 | ist ein Ungeheuer, nicht aber ein Argument, das man in einer mathematischen | ||||||
| 23 | Abhandlung finden sollte. Man erinnere sich: daß in dem | ||||||
| 24 | vorigen Falle nur deswegen sei gesagt worden, die Actiones zweier | ||||||
| 25 | gleichen Körper, welche in ungleichen Zeiten gleiche Wirkung ausrichten, | ||||||
| 26 | seien umgekehrt wie die Zeiten, weil diejenige Action, die eine Wirkung | ||||||
| 27 | in kürzerer Zeit ausrichtet, eben deswegen und auch in eben demselben | ||||||
| 28 | Maße größer ist, als eine andere, welche dazu mehr Zeit aufwendet. | ||||||
| 29 | Also hat dieser Schluß aus diesem Grunde statt, weil die Kürze der | ||||||
| 30 | Zeit, darin eine Wirkung vollendet wird, jederzeit von einer desto | ||||||
| 31 | größern Action zeugt. Allein wenn ich, wie hier in dem zweiten | ||||||
| 32 | Falle an statt der Ungleichheit der Zeiten die Ungleichheit der Massen | ||||||
| 33 | setze und dagegen die Zeiten gleich mache: so sieht man leicht, daß die | ||||||
| 34 | Ungleichheit der Massen die Folge nicht habe, welche die Ungleichheit | ||||||
| 35 | der Zeiten hat. Denn bei der erstern hatte der Körper, der in kleinerer | ||||||
| 36 | Zeit seine Wirkung vollendete, eben deswegen, weil die Zeit kleiner | ||||||
| 37 | war, eine größere Action ausgeübt; allein hier hat der Körper, der | ||||||
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