Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 106 |
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| 01 | Anlegung der geometrischen Bestimmungen wirksamer gemacht | ||||||
| 02 | werden, so hat man die ganze Zusammenfassung aller zureichenden | ||||||
| 03 | Gründe, darin man die Größe der Kraft, die in A entsteht, vollkommen | ||||||
| 04 | wieder finden wird. Wenn man hievon die einzige Kraft des Körpers | ||||||
| 05 | B absondert, so ist kein Wunder, daß sie viel zu klein befunden wird, | ||||||
| 06 | um in ihr den Grund der Kraft, die in A hineinkommt, darzulegen. | ||||||
| 07 | Alles, was der Körper B hiebei thut, ist, daß er zu gleicher Zeit, da | ||||||
| 08 | er die Zurückhaltungen der Schwere überwindet, eine gewisse Modalität | ||||||
| 09 | gewinnt, das ist, eine gewisse Quantität der Höhe, die nämlich größer ist | ||||||
| 10 | als nach Proportion seiner Geschwindigkeit und folglich auch seiner Masse. | ||||||
| 11 | So ist denn die Kraft des Körpers B nicht die wahre wirkende | ||||||
| 12 | Ursache der Kraft, welche in A erzeugt wird: es wird in Ansehung | ||||||
| 13 | ihrer also das große Gesetz der Mechanik effectus quilibet äquipollet | ||||||
| 14 | viribus causä plenä ohne Gültigkeit sein; und es kann immerhin auf | ||||||
| 15 | diese Weise eine immerwährende Bewegung hervorgebracht werden, | ||||||
| 16 | ohne daß dieses Grundgesetz im geringsten verletzt wird. | ||||||
| 17 | § 98. |
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| 18 | Es besteht also alles, was der Herr von Leibniz mit | Die einzige | |||||
| 19 | seinem Argumente uns entgegen setzen kann, darin: da | Schwierigkeit, | |||||
| 20 | es, wenn man gleich die gänzliche Unmöglichkeit der | die noch in dem | |||||
| 21 | Sache nicht darthun kann, dennoch sehr unregelmäßig und | Leibnizischen | |||||
| 22 | widernatürlich heraus komme, daß eine Kraft eine andere | Argumente | |||||
| 23 | größere, als sie ist, erwecke, es mag nun auf eine Art | stecken könnte. | |||||
| 24 | geschehen, wie sie wolle. Der Herr von Leibniz lenkt sich selber auf | ||||||
| 25 | diese Seite:*) Sequeretur etiam causam non posse iterum restitui | ||||||
| 26 | suoque effectui surrogari; quod quantum abhorreat a more naturä | ||||||
| 27 | et rationibus rerum facile intelligitur. Et consequens esset: decrescentibus | ||||||
| 28 | semper effectibus, neque unquam crescentibus, ipsam continue | ||||||
| 29 | rerum naturam declinare, perfectione imminuta, neque unquam | ||||||
| 30 | resurgere atque amissa recuperare posse sine miraculo. Quä in | ||||||
| 31 | physicis certe abhorrent a sapientia constantiaque conditoris. Er | ||||||
| 32 | würde so gelinde nicht geredet haben, wenn er nicht gesehen hätte, da | ||||||
| 33 | die Natur der Sache ihm diese Mäßigung auferlege. Man mag nur | ||||||
| 34 | gewiß versichert sein: daß er mit dem ganzen Donner seines geometrischen | ||||||
| 35 | Bannes und aller Gewalt der Mathematik wider seinen Feind | ||||||
| *) Act. Erud. 1691 p. 442. | |||||||
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