Kant: AA I, Gedanken von der wahren ... , Seite 068 |
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| 01 | wäre und dagegen noch von B abgezogen würde, und daß die nach | ||||||
| 02 | diesem übrig bleibende Kraft alsdann allererst die vollständige Wirkung | ||||||
| 03 | der Kraft, die vor dem Anlaufe war, eigentlich darbiete. Wenn man | ||||||
| 04 | aber eine Größe so ansieht, so gilt sie in der Summirung weniger, | ||||||
| 05 | wie nichts und erfordert das verneinende Zeichen. | ||||||
| 06 | § 58. |
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| 07 | Nun werden meine Leser vermuthen, auch aus der | Die | |||||
| 08 | Lehre von der Bewegung unelastischer Körper | Leibnizianer | |||||
| 09 | durch den Stoß gewisse Beweise angeführt zu finden, | fliehen vor der | |||||
| 10 | deren die Anhänger der Leibnizischen Schätzung sich bedient | Untersuchung | |||||
| 11 | hätten, die lebendigen Kräfte zu vertheidigen. Allein | der lebendigen | |||||
| 12 | sie betrügen sich. Diese Herren finden die Bewegungen | Kräfte durch | |||||
| 13 | von der Art nicht für gar zu vortheilhaft für ihre Meinung; | den Stoß | |||||
| 14 | sie suchen sie also von dieser Untersuchung gänzlich | unelastischer | |||||
| 15 | auszuschließen. Dies ist eine Krankheit, woran diejenigen ordentlicher | Körper. | |||||
| 16 | Weise darnieder liegen, die in der Erkenntnis der Wahrheiten Unternehmungen | ||||||
| 17 | machen. Sie schließen so zu sagen die Augen bei demjenigen | ||||||
| 18 | zu, was dem Satze, den sie sich in den Kopf gesetzt haben, zu | ||||||
| 19 | widerstreiten scheint. Eine kleine Ausflucht, eine frostige und matte | ||||||
| 20 | Ausrede ist fähig ihnen gnug zu thun, wenn es darauf ankommt eine | ||||||
| 21 | Schwierigkeit wegzuschaffen, die der Meinung, für die sie eingenommen | ||||||
| 22 | sind, hinderlich ist. Man hätte uns in der Philosophie viel Fehler | ||||||
| 23 | ersparen können, wenn man in diesem Stücke sich hätte einigen Zwang | ||||||
| 24 | anthun wollen. Wenn man auf dem Wege ist, alle Gründe herbeizuziehen, | ||||||
| 25 | welche der Verstand zu Bestätigung einer Meinung, die man | ||||||
| 26 | sich vorgesetzt hat, darbietet: so sollte man mit eben der Aufmerksamkeit | ||||||
| 27 | und Anstrengung sich bemühen das Gegentheil auf allerlei Arten | ||||||
| 28 | von Beweisen zu gründen, die sich nur irgend hervorthun, eben so | ||||||
| 29 | wohl als man für eine beliebte Meinung immer thun kann. Man | ||||||
| 30 | sollte nichts verachten, was dem Gegensatze im geringsten vortheilhaft | ||||||
| 31 | zu sein scheint, und es in der Vertheidigung desselben aufs höchste | ||||||
| 32 | treiben. In einem solchen Gleichgewichte des Verstandes würde öfters | ||||||
| 33 | eine Meinung verworfen werden, die sonst unfehlbar wäre angenommen | ||||||
| 34 | worden, und die Wahrheit, wenn sie sich endlich hervorthäte, würde | ||||||
| 35 | sich in einem desto größern Lichte der Überzeugung darstellen. | ||||||
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