Kant: Briefwechsel, Brief 699, Von Matern Reuß. |
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Von Matern Reuß. | |||||||
Würzb. den 1. Aprill. 30 | |||||||
1796. | |||||||
Euere Wohlgebohrn | |||||||
Erwarten ja von mir keine Versicherungen meiner fortdauernden Ergebenheit | |||||||
gegen sie; ich setze deswegen auch alle Erklärung meiner | |||||||
Hochschätzung gegen sie bey seite; aber unangenehm wird es Ihnen | |||||||
nicht seyn, wenn ich Ihnen, wenigstens überhaupt (denn en Detail | |||||||
werde ich es öffentlich also auch ihnen bekannt machen) den Zustand | |||||||
der kritischen Ph[i]l[osoph]ie im katholischen Teutschland bekannt mache. | |||||||
Hier fahre ich ungehindert fort theor. u. pract. Phlie nach ihren Grundsätzen | |||||||
zu erklären, auch Aesthetik wird vom Pr. Andres nach Ihren | |||||||
Grundsätzen gelehrt. Die Professoren der Theologie und Rechtsgelahrtheit | |||||||
modeln fast alle, wo nicht die Wissenschaft, die sie lehren, wenigstens | |||||||
die Art, ihres Vortrages nach den nämlichen Grundsätzen, so gar | |||||||
beym Religionsunterricht, benutzt man ihre Grundsätze, in Catechese | |||||||
u. in Predigten: blos, um Kantische Phlie bey mir zu hören, kommen | |||||||
Viele fremde hieher; und mein Fürst, der mich sehr unterstützt, nahm | |||||||
mir alle übrigen Geschäfte die ich sonst dabey besorgen mußte, ab, | |||||||
damit ich mich der Phlie allein widmen könne. | |||||||
Nicht gar so helle, doch ziemlich hell sieht es auf den hohen schulen, | |||||||
Bamberg, Heidelberg, u. andern katholischen schulen aus, desto finsterer | |||||||
ist es aber in Bayern, schwaben u. der katholischen schweitz, ich machte | |||||||
eine Reise in diese 3. Länder, u. hoffe Nutzen gestiftet zu haben; da | |||||||
in diesen kathol. Ländern die schulen meistens von Mönchen besorgt | |||||||
werden, die aber nur nicht nach einem teutschen Vorlesbuch lesen | |||||||
dürfen, nach einem protestantischen (so sagen sie) gar nicht, so habe | |||||||
ich diesen schulen zu lieb über theor. Phlie ein Vorlesbuch in latein. | |||||||
sprache geschrieben, welches aber erst nächstens gedruckt wird; auch in | |||||||
der italienischen u. französischen schweitz wünschte man über Kant's | |||||||
Phlie eine Erklärung in lateinischer sprache; Pr. Itt zu Bern bat mich | |||||||
deswegen, so etwas zu besorgen. | |||||||
Ich kan ihnen nicht beschreiben, wie enthusiastisch auch jene, die | |||||||
sonst ihren Grundsatzen nicht gut waren, so gar unsre Damen jetzt | |||||||
für sie eingenommen sind, da wir in mehreren Zeitungen gelesen haben, | |||||||
daß sie als Gesetzgeber, als stifter der Ruhe u. des Friedens nach | |||||||
Frankreich gerufen worden seyn, u. dazu von ihrem Koenig Erlaubnis | |||||||
erhalten haben; auch ich bekomme jetzt von mancher Dame ein freundlicheres | |||||||
Gesicht, als zuvor. | |||||||
Auf die Frage: ob die Nachricht gegründet sey, bat ich Hrn Hofpr. | |||||||
Schultze um eine Antwort, weil sie dazu nicht Zeit haben. Ich bitte | |||||||
sie um Ihre fernere Freundschaft u. erharre | |||||||
Ew Wohlg. | |||||||
Dienstfertigster Diener | |||||||
Reuss Prof | |||||||
Hr. stang empfiehlt sich bestens. | |||||||
[ abgedruckt in : AA XII, Seite 068 ] [ Brief 698a ] [ Brief 700 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |