Kant: Briefwechsel, Brief 598, Von Carl Friedrich Fischer. |
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Von Carl Friedrich Fischer. | |||||||
19. Oct. 1793. | |||||||
Wohlgeborner Herr! | |||||||
Hochgelarter HE Profeßor! | |||||||
Ewr Wohlgeboren haben mir durch HE Friedländer die gütigste | |||||||
Erlaubniß ertheilen laßen, Ihre Disputation de principiis sensib: | |||||||
atque intell: mundi von neuen auflegen zu laßen; so wie dHE Profeßor | |||||||
Herz seine Betrachtungen über die spekulative Philosophie, | |||||||
zu gleichem Zwecke mir überlaßen hat. Beide Werke werden | |||||||
unter einem gemeinschaftlichen Titel, dem Drucke so gleich übergeben | |||||||
werden; wenn Ewr Wohlgeboren mir bestimtre Befehle ertheilt haben.: | |||||||
ob ich Ihre Disputation im Original oder in einer Uebersezzung | |||||||
liefern soll. | |||||||
Soll das leztre geschehen so bitte ich im Voraus Ewr Wohlgeboren | |||||||
gehorsamst die Uebersezzung zu revidiren | |||||||
Wenn ich nicht befürchten müste zudringlich in den Augen Ewr | |||||||
Wohlgeboren zu erscheinen, so würde ich im Namen des Publicums | |||||||
Sie gehorsamst bitten den Werth des Wercks durch eine Vorrede noch | |||||||
mehr zu erhöhen. | |||||||
Die hierbey sich befindende Abhandlung übergebe ich Ew Wohlgeboren | |||||||
mit all der Schüchternheit welche das Gefühl des Unvermögens | |||||||
begleitet, aber zugleich auch mit der Zuversicht welche das Bewustseyn | |||||||
erweckt geleistet zu haben was man leisten konnte, und die Ueberzeugung | |||||||
schenckt, unser Richter verbindet Gerechtigkeit mit Güte. - ich schmeichle | |||||||
mir daher Ew Wohlgeboren werden mir die Unvolkommenheiten meiner | |||||||
Arbeit zeigen, und mir belehrende Wincke ertheilen, sie möglichst zu | |||||||
heben. | |||||||
ich stehe jzt an der Grenze meines 26ten Iahres - voll Enthusiasmus | |||||||
für die Lehren der Weisheit, welche mich aber nirgends befridigt | |||||||
haben, als in den Hallen wo Sie Unterricht ertheilen. Nach manchen | |||||||
Schwürigkeiten befinde ich mich jzt in einer Lage - wo ich ungestörter | |||||||
den Neigungen meines Herzens und den Bedörfnissen meines Verstandes | |||||||
leben kann. Wie glüklich wäre ich wenn ich jzt an der Hand | |||||||
eines erfarnen Rathgebers meine Kräfte so kultiviren könte, daß der | |||||||
Menschheit alle die Früchte aus ihnen entsprössen, welche mein Herz | |||||||
ihr darzubringen so innigst wünscht! | |||||||
Das Studium der Theologie war einst mein LieblingsStudium, | |||||||
und das Fach dem ich vorzüglich meine Kräfte weithe. Auch noch jzt | |||||||
fühl ich innern Ruf zu demselben, welchen Ihr trefliches Werck über | |||||||
d[ie] Religion von neuen belebt hat; ich bin über dem in einer Lage | |||||||
wo ich auf eine ansehnliche Prediger Stelle dem Gesezze nach Anspruch | |||||||
machen kann; aber die Bedingungen nach welchen durch die Religions | |||||||
Commission die Würdigkeit zu einer Volks Lehrer Stelle bestimt wird, | |||||||
scheinen mir den Begriffen der Moral so stracks entgegen zu laufen | |||||||
daß ich nicht weiß wozu ich mich bestimmen soll. - Was soll ich | |||||||
thun? - rathen Sie mir! | |||||||
Verzeihen Sie die Länge des Briefes - und beehren Sie mich | |||||||
wenn irgend Ihre wichtigere Geschäfte es erlauben bald mit einer | |||||||
gütigen Antwort. | |||||||
DHE Profeßor Herz u. HE Friedländer laßen sich gehorsamst | |||||||
empfehlen; so wie ich mit der unbegrenztesten Hochachtung verharre | |||||||
Ew Wohlgeboren | |||||||
Berlin | gehorsamster Diener | ||||||
den 19t. 8br 93. | Carl Friedrich Fischer | ||||||
Profeßor der Geschichte am | |||||||
Cadetten Corps. | |||||||
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