Kant: Briefwechsel, Brief 526, An die theologische Facultät [in Königsberg]. (Entwurf.) |
|||||||
|
|
|
|
||||
| An die theologische Facultät [in Königsberg]. | |||||||
| (Entwurf.) | |||||||
| Ende August 1792. | |||||||
| Ich habe die Ehre Ew: Hochehrwürden drey philosophische Abhandlungen | |||||||
| die mit der in der Berl: Monatsschrift ein Ganzes ausmachen | |||||||
| sollen nicht so wohl zur Censur als vielmehr zur Beurtheilung | |||||||
| ob die theologische Facultät sich die Censur derselben anmaße zu überreichen, | |||||||
| damit die philosophische ihr Recht über dieselbe gemäß dem | |||||||
| Titel den diese Schrift führt unbedenklich ausüben könne. - Denn | |||||||
| da die reine philosophische Theologie hier auch in Beziehung auf die | |||||||
| Biblische vorgestellt wird wie weit sie nach ihren eigenen Versuchen der | |||||||
| Schriftauslegung sich ihr anzunäheren getraut, und wo dagegen die | |||||||
| Vernunft nicht hinreicht oder auch mit der Angenommenen Auslegung | |||||||
| der Kirche nicht folgen kan so ist dieses eine unstreitige Befugnis | |||||||
| derselben bey der sie sich in ihren Grenzen hält und in die Biblische | |||||||
| Theologie keinen Eingrif thut ebenso wenig als man es der letzteren | |||||||
| zum Vorwurfe des Eingrifs in die Rechtsame einer anderen Wissenschaft | |||||||
| macht daß sie zu ihrer Bestätigung oder Erläuterung sich so | |||||||
| vieler philosophischen Ideen bedient als sie zu ihrer Absicht tauglich zu seyn | |||||||
| glaubt. - Selbst da wo die philosophische Theologie der Biblischen | |||||||
| entgegengesetzte Grundsätze anzunehmen scheint z. B. in Ansehung der | |||||||
| Lehre von den Wundern gesteht und beweißt sie daß diese Grundsätze | |||||||
| von ihr nicht als objectiv= sondern nur als subjectiv=geltend d. i. | |||||||
| als Maximen verstanden werden müssen wenn wir blos unsere (menschliche) | |||||||
| Vernunft in theologischen Beurtheilungen zu Rathe ziehen wollen | |||||||
| wodurch die Wunder selbst nicht in Abrede gezogen sondern dem | |||||||
| Biblischen Theologen so fern er blos als ein solcher urtheilen will und | |||||||
| alle Vereinigung mit der Philosophie verschmäht ungehindert überlassen | |||||||
| werden. | |||||||
| Da nun seit einiger Zeit das Interesse der Biblischen Theologen | |||||||
| als solcher zum Staatsinteresse geworden gleichwohl aber auch das | |||||||
| Interesse der Wissenschaften eben sowohl zum Staatsinteresse gehort | |||||||
| welches eben dieselben Theologen als Universitätsgelehrte (nicht blos | |||||||
| als Geistliche) nicht zu verabsäumen und einer der Facultäten z. B. | |||||||
| der philosophischen zum vermeynten Vortheil der anderen zu verengen | |||||||
| sondern vielmehr jeder sich zu erweitern befugt und verbunden sind | |||||||
| so ist einleuchtend daß wenn ausgemacht ist eine Schrift [gehöre] zur | |||||||
| Biblischen Theologie die zur Censur derselben Bevollmächtigte Kommission | |||||||
| über sie das Erkentnis habe ist wenn das aber noch nicht ausgemacht | |||||||
| sondern noch einem Zweifel unterworfen ist diejenige Facultät, | |||||||
| auf einer Universität (welche diesen Nahmen darum führt weil sie | |||||||
| auch darauf sehen muß daß eine Wissenschaft nicht zum Nachtheil der | |||||||
| andern ihr Gebiet erweitere) für die das Biblische Fach gehört allein | |||||||
| das Erkentnis habe ob eine Schrift in das ihr anvertraute Geschäfte | |||||||
| Eingriffe thue oder nicht und im letzteren Fall wenn sie keinen Grund | |||||||
| findet Anspruch darauf zu machen die Censur derselben derjenigen | |||||||
| Facultät anheim fallen müsse für die sie sich selbst angekündigt hat. | |||||||
| [ abgedruckt in : AA XI, Seite 358 ] [ Brief 525a ] [ Brief 527 ] [ Gesamtverzeichnis des Briefwechsels ] |
|||||||