Kant: Briefwechsel, Brief 401, Von Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter.

     
           
 

 

 

 

 

 
  Von Iohann Gottfried Carl Christian Kiesewetter.      
           
  [Berlin] den 29t. Ian. [1790].      
           
  Herr de la Garde hat mir Ihren Brief vom 21t. Ian. überschickt,      
  und ich habe mit ihm über den Druck Ihres Werks gesprochen. Der      
  Buchdrucker Wegener hat den Druck übernommen, und versprochen alle      
  14 Tage 5 bis 6 Bogen zu liefern; auch habe ich auf Bitte d. HE      
  de la Garde mit dem C. G. R. Mayer der die Censur jetzt hat, gesprochen,      
  und er wird sein imprimatur ohne den geringsten Aufenthalt      
  unterschreiben. Bei mir soll die Correctur auch nicht liegen bleiben,      
  und so, glaube ich, wird alles recht gut gehen. - HE de la Garde      
  giebt sich alle Mühe, um dem Werke auch äußerliche Schönheit zu      
  geben; das Pappier was er dazu nimmt, übertrift an Weiße und Güte      
  noch das, was Hartknoch zur Cr. d. p. V. genommen hat; auch werden      
  zum Druck des Werks neue Lettern gebraucht.      
           
  Es ist jetzt in der hiesigen akademischen Buchhandlung eine Schrift      
  erschienen, die folgenden Titel führt: "Versuch einer Kritik der      
  Religion und aller religiösen Dogmatik mit besonderer      
  Rücksicht auf das Christenthum. Vom Verfasser des Einzigmöglichen      
  Zwecks Iesu." Der Verfasser ist ein gewisser Tieftrunk,      
  der hier in Berlin bei einer Schulanstalt angestellt sein soll. So weit      
  ich hineingelesen habe, hat es mir sehr gefallen. Wie mir mein      
  Freund, der C. G. R. Mayer gesagt hat, so wird von eben diesem      
  Tieftrunk ein Aufsatz gegen Maimons Transcendentalphilosophie in      
  einer Monatsschrift erscheinen.      
           
           
  Der Prediger Ienisch will eine Logik der Heterodoxie herausgeben,      
  was das sein soll, weiß Gott; es soll niemand wissen, daß er      
  Verfasser ist, und doch weiß es die ganze Stadt, da er es jedem unter      
  dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut.      
           
  Der O. C. R. Gedike ist Mitglied der Acad. der Wissenschaften      
  geworden; dis wird seinem Stolz unendlich schmeicheln. Die Baronesse      
  von Bielefeld hat mir das feste Versprechen gethan, daß ich künftiges      
  Iahr Lehrer der Prinz. Auguste werden soll; ich würde sogleich die      
  Stelle erhalten haben, wenn die Prinzessin nicht zu jung wäre. Doch      
  bleibt die Sache bis dahin ein Geheimniß.      
           
  Ich bin mit dem Minister von Schulenburg in nähere Verbindung      
  gekommen. Einige meiner Freunde hatten mich ersucht, ihnen ein      
  Colleg. privat. uber die reine Mathem. zu lesen, und ich war es eingegangen,      
  unter der Bedingung, daß eine Gesellschaft von 10 Personen      
  sich fände, die 100 rthlr. bezahlten. Der junge Graf von Schulenburg      
  Sohn des Ministers, der mich kennt, wünschte auch daran Theil zu      
  nehmen, und sagte es seinem Vater. Zufälligerweise spricht dieser an      
  demselben Tage bei der Cour mit der Baronesse v. Bielefeld und mit      
  dem Kanzler von Hoffmann von mir, und dis bewegt ihn, den andern      
  Tag seinen Sohn zu mir zu schicken, und mir den Antrag thun zu laßen,      
  ich möchte die Anzahl der Zuhörer auf 6 Personen heruntersetzen, er      
  wolle sodann die 100 rthlr. voll machen, selbst zuweilen mein Zuhörer      
  sein, und mir einen Saal in seinem Hause einräumen, auch für Tafel,      
  Zirkel, Lineal etc. sorgen. Vergangenen Mittwoch ließ er mich zur      
  Tafel bitten, weil ich aber von 2 bis 3 Uhr Logik lese, so mußte ich      
  die Einladung ausschlagen; ich ging aber gleich nach Tische zu ihm,      
  und er nahm mich äußerst gnädig auf. Ich werde also den 1t. Aprill      
  meine Vorlesungen bei ihm anfangen. Seine Gnade ist von Bedeutung,      
  da er mit den Ministern Finkenstein und Voß nahe verwandt ist, und bei      
  Hofe großen Einfluß hat.      
           
  Sein Sie doch so gefällig und geben Sie einliegendes Briefchen an      
  HE. Iachmann. Den Aufsatz über das Manipuliren sollen Sie nächstens      
  durch HE. Iachmann erhalten, er würde, wenn ich ihn jetzt schicken      
  wollte, den Brief zu stark machen. - Meinen wärmsten und besten      
  Dank für Ihre gütige Verwendung wegen des Honorars bei HE.      
  de la Garde. - Ich denke künftige Hundtagsferien Sie mündlich      
  zu sprechen und Ihnen mündlich zu sagen, wie unendlich ich Sie liebe,      
           
  wie unbegränzt meine Hochachtung für Sie ist, für Sie in den ich      
  den Stifter meines Glücks verehre. - Noch einmal tausend Empfehlungen      
  an d. H. Prof. Krause. Ich bin mit der größten Hochachtung      
  und Zärtlichkeit      
           
    Ew. Wohlgebohrn      
    aufrichtigster Verehrer      
    I. G. C. Kiesewetter.      
           
           
           
     

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