Kant: AA XXIII, VII. Lose Blätter zum ... , Seite 368

   
         
 

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  01 kan. Welcher Fall kan es denn seyn da diese Foderung auch nur den    
  02 Schein von Vernunft und Billigkeit bey sich führt. Es ist derjenige    
  03 wo der ganze Werth eines Standes oder Geschlechts blos auf der    
  04 Achtung beruht welche eine jede Person desselben für die Meynung    
  05 des Publici von ihm hegt. Der Werth des befehlenden Kriegsmanns    
  06 (officier) beruht auf seinen Grundsätzen der Ehre so wie der des Frauenzimmers.    
  07 So wie bey jenem Muth so bey diesem Keuschheit ist das    
  08 wovon sie die Meynung beym publico erhalten müssen denn darauf    
  09 beruht ihr ganzer Werth. Die Übertretung dieser Achtung für die    
  10 Meynung des publici bringt den Stand u. das Geschlecht um den    
  11 Werth. Zum Anstos aber einem ganzen Stande zu dienen ist eine Erniedrigung    
  12 die dem Leben den Werth nimmt.    
         
         
  13 Mit der devise den Schaden zu ersetzen    
         
  14 Der Werth unverheyratheter Weiber beruht auf der Meynung    
  15 die man sich von ihrer Enthaltsamkeit macht und dem Werthe den    
  16 diese selbst in jene öffentliche Meynung setzen. Eben das beym Officier.    
  17 Beyde aber bey ihres gleichen weil eine Verletzung dieser Meynung    
  18 den ganzen Stand u. Geschlecht in Verachtung bringt.    
         
  19 Bis auf einen punct accurat zu seyn braucht der Buchhalter der    
  20 Geometer der Gewissensrath der Richter u. der Ehrenmann denn wenn    
  21 man auch nur etwas dawieder nachsieht, so weiß man nicht wie weit    
  22 der Fehler oder das Vergehen gehen kan.    
         
  23 Die Theile des Körpers stellen sich von selbst ins Gleichgewicht    
  24 u. hiedurch in Ruhe wenn der punct an dem sie hängen über dem    
  25 Schwerpunct ist oder sie ruhen auch auf einer breiten Basis. Werden    
  26 sie aber auf einen punct gestellt, so müßten sie sich entweder continuirlich    
  27 im Kreysel drehen oder sie fallen.    
         
  28

Ehrenpunct

   
  29 Es ist bemerkungswürdig daß in Ansehung aller dieser Puncte    
  30 man gemeiniglich viel bedenklicher ist als um große u. in die Augen    
  31 fallende Entscheidungsgründe unsers Urtheils daß der Rechtsgelehrte    
  32 sich oft über Ungerechtigkeiten, der Gewissensrath über Laster und der    
  33 Ehrenmann über bürgerliche verächtliche Handlungen wegsetzt, aber    
  34 alle bey einem zweydeutigen Puncte die größte Scharfsinnigkeit verwenden    
         
     

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