Kant: AA XXIII, VII. Lose Blätter zum ... , Seite 367 |
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01 | LBl E 70 R II 241-244 |
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02 | Erste Seite |
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03 | Da jetzt das Gemeine Wesen durch Künste u. Ackerbau sich mit | ||||||
04 | seiner Kriegsverfassung nicht abgeben kan so muß es solche haben die | ||||||
05 | nicht Bürger sind und sich gänzlich damit befassen. Also ist es jetzt nicht | ||||||
06 | Bürgerpflicht mithin entweder Eigennutz oder Ehre. Die letztere | ||||||
07 | Der Ehrenpunct besteht in dem Werthe den iemand in der Meynung | ||||||
08 | anderer von seiner Ehrliebe selbst hat so fern er ihn dem Werthe | ||||||
09 | des Lebens gleichschätzt. Die Meynung anderer von unserer Treue | ||||||
10 | in Beobachtung unserer Pflicht kan für uns immer hinreichend seyn | ||||||
11 | Aber es giebt Fälle wo andere dabey nicht gesichert zu seyn glauben | ||||||
12 | sondern durchaus Ehrliebe als die einzige Gewährleistung von uns | ||||||
13 | fodern weil die größte Verleitungen Liebe zum Leben und Liebe zum | ||||||
14 | Geschlecht unsere beste Maximen leicht umstoßen können. | ||||||
15 | In diesem Falle der Versuchung sind nur Soldaten und Frauenzimmer | ||||||
16 | die auf Ehe hoffen. (Denn bey Männern ist man in der Ehe | ||||||
17 | wegen ihrer Treue keine gewährleistung weil ihre übertretung nicht so | ||||||
18 | gefährlich ist). Es giebt zweyerley Ehre Standesehre u. bürgerliche | ||||||
19 | Ehre Der Soldat hatte in alten Zeiten wo er in den Krieg als bürgerliche | ||||||
20 | Pflicht gehen mußte nur bürgerliche Ehre. Diese ist weggefallen | ||||||
21 | nachdem der Adel mit seinen Leibeigenen einen besonderen Kriegsstand | ||||||
22 | ausmachte, mithin der Bürger diese Pflicht nicht hatte und jener | ||||||
23 | sich dafür auch von Bürgerpflicht ziemlich los sagte. Weil der Liebe zum | ||||||
24 | Leben schwerlich ein eigennütziger Bewegungsgrund der genugsam | ||||||
25 | anhaltend wirkte entgegengesetzt werden kan u. Schutz des Staats ein | ||||||
26 | Verdienst ist so mußte die Vertheidigung desselben mit Ehre die noch | ||||||
27 | höher geschätzt werden muß als Leben verbunden seyn. | ||||||
28 | Zweite Seite |
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29 | Ehrenpunct. Der Ehrenruf ist die öffentliche Meynung von | ||||||
30 | dem Werthe oder Unwerthe einer Person. Der Fall in welchem das | ||||||
31 | allgemeine Urtheil eine Achtung für den Ehrenruf fodert dadurch | ||||||
32 | dieser ihm mehr werth seyn soll als das Leben ist der Ehrenpunct. | ||||||
33 | Der Ehrenpunct setzt also voraus daß das Publicum für seine Meynung | ||||||
34 | eine Achtung fodere die man für das höchste Gesetz nicht stärker fodern | ||||||
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