Kant: AA XXIII, Vorarbeiten zu Zum Ewigen ... , Seite 181

   
         
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

Verknüpfungen:

 

 

 
  01

Vierte Seite

   
         
  02 2. Die Idee des Völkerrechts setzt die Absonderung vieler von    
  03 einander unabhängiger benachbarter Staaten voraus und obgleich ein    
  04 solcher Zustand an sich schon ein Zustand des Krieges ist (wenn nicht    
  05 eine förderative Vereinigung derselben dem Ausbruch der Feindseeligkeiten    
  06 vorbeugt) so ist doch selbst dieser nach der Vernunftidee besser als    
  07 die Zusammenschmelzung derselben durch eine die andere überwachsende    
  08 und in eine Universalmonarchie übergehende Macht weil die Gesetze mit    
  09 dem vergrößten Umfange der Regierung immer mehr an ihrem Nachdruck    
  10 einbüßen und ein seelenloser Despotism nachdem er die Keime des    
  11 Guten ausgerottet hat zuletzt doch in Anarchie; indessen ist dieses doch der    
  12 Wille jedes Staats (oder seines Oberhaupts) auf diese Art sich in den    
  13 Daurenden Friedenszustand zu versetzen. Aber die Natur will es anders.    
  14 - Sie bedient sich zweyer Mittel um Völker von der Vermischung    
  15 abzuhalten und sie abzusondern, der Verschiedenheit der Sprachen und    
  16 der Religionen* die zwar den Hang zum wechselseitigen Hasse und    
  17 Vorschub zum Kriege bey sich führt, aber doch bey anwachsender Cultur    
  18 und der allmäligen Annäherung der Menschen zu größerer Einstimmung    
  19 in Principien und zum Einverständnisse in einem Frieden leitet    
  20 der nicht wie jener Despotism (auf dem Kirchhofe der Freyheit) durch    
  21 Schwächung aller Kräfte sondern durch den lebhaftesten Wetteyfer    
  22 hervorgebracht und gesichert wird.    
         
  23 3. So wie die Natur weislich die Völker trennt welche der Wille    
  24 jedes Staats und zwar selbst nach Gründen des Völkerrechts gern mit    
         
  25 *Verschiedenheit der Religionen: ein wunderlicher Ausdruck! gerade    
  26 als ob man auch von verschiedenen Moralen spräche. Es kann wohl verschiedene    
  27 die Moral vortragende Bücher und eben so verschiedene Religionsbücher    
  28 (Zendavesta, Vedam, Koran, u. s. w.) geben aber nur eine einzige für    
  29 alle Menschen und in allen Zeiten gültige Religion. Jene also können wohl    
  30 nichts anders als noch das Vehikel der Religion was zufällig ist und, nach    
  31 Verschiedenheit der Zeiten und Örter verschieden seyn kann, enthalten.    
         
         
     

[ Seite 180 ] [ Seite 182 ] [ Inhaltsverzeichnis ]