Kant: AA XX, Erste Einleitung in die Kritik der ... , Seite 228

     
           
 

Zeile:

 

Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Ich antworte: Vollkommenheit, als bloße Vollständigkeit des      
  02 Vielen, so fern es zusammen Eines ausmacht, ist ein ontologischer Begrif,      
  03 der mit dem der Totalität (Allheit) eines Zusammengesetzten (durch Coordination      
  04 des Mannigfaltigen in einem Aggregat, oder zugleich der Subordination      
  05 derselben als Gründe und Folgen in einer Reihe) einerley      
  06 ist und der mit dem Gefühle der Lust und Unlust nicht das Mindeste      
  07 zu thun hat. Die Vollkommenheit eines Dinges in Beziehung seines      
  08 Mannigfaltigen auf einen Begrif desselben ist nur formal. Wenn ich      
  09 aber von einer Vollkommenheit (deren es viele an einem Dinge unter      
  10 demselben Begriffe desselben geben kann) rede, so liegt immer der Begrif      
  11 von Etwas, als einem Zwecke, zum Grunde, auf welchen jener      
  12 ontologische, der Zusammenstimmung des Mannigfaltigen zu Einem, angewandt      
  13 wird. Dieser Zweck darf aber nicht immer ein practischer Zweck      
  14 seyn, der eine Lust an der Existenz des Objects voraussetzt oder einschließt,      
  15 sondern er kann auch zur Technik gehören, betrift also blos      
  16 die Möglichkeit der Dinge und ist die Gesetzmäßigkeit einer an sich      
  17 zufälligen Verbindung des Mannigfaltigen in demselben.      
  18 Zu einem Beyspiel mag die Zweckmäßigkeit dienen, die man an einem      
  19 regulären Sechseck in seiner Möglichkeit nothwendig denkt, indem es ganz      
  20 zufällig ist, daß sechs gleiche Linien auf einer Ebene gerade in lauter      
  21 gleichen Winkeln zusammenstoßen, denn diese gesetzmäßige Verbindung      
  22 setzt einen Begrif voraus, der, als Princip, sie möglich macht. Dergleichen      
  23 objective Zweckmäßigkeit, an Dingen der Natur beobachtet (vornehmlich)      
  24 an organisirten Wesen), wird nun als objectiv und material gedacht und      
  25 führt nothwendig den Begrif eines Zwecks der Natur (eines wirklichen      
  26 oder ihr angedichteten) bey sich, in Beziehung auf welchen wir den Dingen      
  27 auch Vollkommenheit beylegen, darüber das Urtheil teleologisch heißt      
  28 und gar kein Gefühl der Lust bey sich führt, so wie diese überhaupt in dem      
  29 Urtheile über die bloße Causal-Verbindung gar nicht gesucht werden darf.      
           
  30 Überhaupt hat also der Begrif der Vollkommenheit als objectiver      
  31 Zweckmäßigkeit mit dem Gefühle der Lust und diese mit jenem gar nichts      
  32 zu thun. Zu der Beurtheilung der ersteren gehört nothwendig ein Begrif      
  33 vom Object, zu der durch die zweyte ist er dagegen gar nicht nöthig,      
  34 und bloße empirische Anschauung kann sie verschaffen. Dagegen ist die      
  35 Vorstellung einer subjectiven Zweckmäßigkeit eines Objects mit dem      
  36 Gefühle der Lust so gar einerley (ohne daß eben ein abgezogener Begrif      
  37 eines Zweckverhältnisses dazu gehörte) und zwischen dieser und jener      
           
    03 (Allheit) g.Z. am Rande (Kant).      
    14 Komma vor: oder      
    23 u. 24 Kein Komma.      
    24 material δ betrachtet      
    33 Kein Komma hinter: nöthig      
           
           
     

[ Seite 227 ] [ Seite 229 ] [ Inhaltsverzeichnis ]