Kant: AA XIX, Erläuterungen zu A. G. Baumgartens ... , Seite 313

     
           
 

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  01 10) Wenn du nun alle Glückseeligkeit in deiner Hand hättest, um sie      
  02 auszutheilen, würdest du sie jedermann in vollem Maaße geben,so viel      
  03 er davon nur immer wünschen kann? --- --- Ia.      
           
  04 11) Das zeigt an, daß du ein gut Herz hast. Laßt uns aber doch      
  05 sehen, ob du dabey auch einen guten Verstand beweisen würdest! Du      
  06 wirst also dem Faulen alles, was er wünscht, geben, ohne daß er sich worum      
  07 bemühen darf, dem Lügner viel Beredtheit andere zu hintergehen,      
  08 dem Neidischen und Geitzigen, der alles an sich reißt, um womöglich jeden      
  09 Anderen darben zu lassen, dem Verschwender unerschöpflichen Schatz, der      
  10 immer von selbst neuen Zuflus hat, dem Lieblosen Vermögen um zu      
  11 schaden etc.? Nein das wohl nicht.      
           
  12 12) Warum denn nicht, da du doch aller Menschen Wünsche zu befriedigen      
  13 (und jedermann Gesundheit) suchst? Ich will dir (g nur ) sagen,      
  14 was das ist, was du verlangst, daß der, dem du alle diese Wohlthaten beweisen      
  15 willst, selbst haben müsse, damit er würdig sey, sie zu empfangen.      
  16 Es ist die Würdigkeit nemlich der gute Wille, dieses alles Gut zu gebrauchen.      
           
  17 13. Aber dieser gute Wille ist doch auch unter dem mit enthalten, was      
  18 jener wünscht, daß er ihm mit zugleich enthalt ertheilt werde. Da du      
  19 nun alle Glückseeligkeit in deiner Hand hast, so war warum solltest du      
  20 ihm nicht auch den guten Willen ertheilen, damit er nicht blos mit seinem      
  21 Zustande sondern auch mit sich selbst zufrieden sey? --- --- Hast du nicht      
  22 gesagt: er müsse vorher ein Guter Mensch seyn, damit er dir würdig sey,      
  23 wieder glücklich gemacht zu werden? Ia.      
           
  24 14. Also muß er den guten Willen aus sich selbst herausbringen; es      
  25 kan ihm kein Andrer ihn geben, weil du sonst immer einen guten Willen      
  26 voraussetzen mußt, damit er würdig sey, die Erfüllung seines Wunsches      
  27 zu erlangen. Der gute Wille ist also das erste Gut, welches (g dir ) nicht      
  28 von einem Andern gegeben werden kann, weil du auch nicht einmal ernstlich      
  29 wünschen kannst ihn zu haben, wenn du ihn nicht schon wenigstens      
  30 einem großen Theile nach schon hast.      
           
   

 

7316.   ω4.   L Bl. G 10.   S. II, I.   R II 34-36.
 
     
  31 S. II:      
           
     

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