Kant: AA XIX, Erläuterungen zu A. G. Baumgartens ... , Seite 268 |
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7190. φ? χ? Pr 135. Zu §198? 200? |
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02 | Alle necessitatio moralis ist stricta oder lata. Die erste ist per arbitrium | ||||||
03 | alterius (und passiva), die andre per statum alterius (memet | ||||||
04 | ipsum cogo). Der ersteren kan kein motivum pragmaticum entgegenstehen, | ||||||
05 | der zweyten aber wohl. Denn ich bin zur Erhaltung eines Armen nicht | ||||||
06 | per arbitrium alterius moralisch gezwungen; also bin ich äußerlich frey, | ||||||
07 | aber innerlich bin ich verbunden. Aber die Glükseeligkeit ist auch eine | ||||||
08 | innere Verbindlichkeit. | ||||||
7191. φ? χ? Pr 135. Zu §198? |
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10 | Ie mehr iemand obiectiv necessitirt und gezwungen werden kan, desto | ||||||
11 | mehr ist er subiectiv frey. | ||||||
12 | Pragmatische Bewegungsgründe kommen in Gar keinen Anschlag | ||||||
13 | gegen moralische. Wenn ich nicht länger als ein ehrlicher Mann leben | ||||||
14 | kann, so kann ich nicht länger leben. Casus necessitatis (eigentlich gilt er | ||||||
15 | nur von der selbsthülfe des Rechts in statu naturali). Das Leben ist an | ||||||
16 | sich nicht ein Gut, sondern so fern man dessen würdig ist. | ||||||
7192. φ? χ? Pr 135. Zu §198? |
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18 | Die iuristen haben recht, wenn sie behaupten, man könne einen andern | ||||||
19 | umbringen, um sein leben zu erhalten. Nemlich man kan nicht gezwungen | ||||||
20 | werden, dies zu unterlassen, weil die Strafe, vor die man sich scheuen soll, | ||||||
21 | nicht größer sein kan als das, was zu entfliehen er die handlung thut, und | ||||||
22 | das letztere nahe ist. Auch ist nur die Erhaltung des Lebens die Bedingung | ||||||
23 | vom Casu necessitatis, weil die große Kraft des Strafgesetzes in der Lebensstrafe | ||||||
24 | besteht. Doch solte ein solcher Mensch, weil er ein Leben erhält, dessen | ||||||
25 | er nicht werth ist, als ein solcher durch aller Verachtung behandelt werden. | ||||||
7193. υ? Pr 134. |
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27 | Man hat aber doch ein recht, andere zu zwingen, daß sie mit Erhaltung | ||||||
28 | ihres Lebens zugleich das unsrige nothdürftigst erhalten, Weil | ||||||
29 | Eigenthum nur ein Antheil an der gemeinschaftlichen Ausstattung der | ||||||
30 | Natur ist. | ||||||
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