Kant: AA XVIII, Metaphysik Zweiter Theil , Seite 509

     
           
 

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  01 nicht gegenstand der Sinne ist, entweder für unmöglich halten ( dies kan      
  02 er nur thun, wenn er die Sinne als die Erkentnisart ansieht, wodurch      
  03 allein die Gegenstande unmittelbar vorgestellt werden, wie sie sind) oder      
  04 dem Erfahrungsgebrauche der Vernunft und also den Maximen ihres      
  05 Gebrauchs überhaupt zuwieder, wenigstens als entbehrlich und gantz      
  06 Grundlos, solches anzunehmen, z.B. Gott als, der kein Gegenstand der      
  07 Erfahrung ist, darum für nichts oder doch (seine Voraussetzung) als der      
  08 Vernunft ganz entbehrlich und unothig ansehn. Der erstere Unglaube ist      
  09 der empiristische, der Zweyte der sophistische oder rationalistische, der alles      
  10 glaubt meynt erklären zu Können oder auch alle moral practische Gesetze      
  11 mit gnugsamer bewegenden Kraft versehen zu können also einen Einflus des      
  12 wenn und einen Erfahrungsgebrauch der Vernunft, namlich ihre Kraft      
  13 gute Handlungen hervorzubringen, behauptet, ob er zwar blos Gegenstände      
  14 der Erfahrung und keine andere wirkliche Dinge annimmt, sondern      
  15 sich blos der Vernunft bedient.      
           
  16 Gläubig* ist derjenige, welcher seiner Vernunft einräumt (g anzunehmen ),      
  17 was zu ihrer Vollstandigkeit, es sey im theoretischen oder practischen      
  18 Erfahrungsgebrauch, unentbehrlich nothwendig ist, ob sie es es      
  19 gleich nicht beweisen kan.      
           
  20 *(g Die gringe Zahl der Gläubigen, die aus moralischem Interesse      
  21 eines Vernunftglaubens fähig sind. Sie wollen baar haben: entweder      
  22 an Erkentnisse oder den Vortheilen des Lebens. )      
           
  23 Der Glaube, ohne welchen es unmöglich ist, selbst den Erfahrungsgebrauch      
  24 der Vernunft, es sey im theoretischen oder practischen, vollstandig      
  25 sich selbst gnugthuend zu machen, ist ein reiner Vernunftglaube.      
           
  26 Ohne einen reinen Vernunftglauben (g wird der Vernunftgebrauch )      
  27 entweder Allwisserey (Pansophie) oder Misologie, Selbstver Selbstmord      
  28 der Vernunft.      
           
  29 Abergläubisch zu werden: dazu haben die Menschen einen* natürlichen      
  30 Hang; sie personificiren Naturursachen, kennen noch nicht die Gesetzmaßigkeit      
  31 der Natur, noch die wichtigkeit des Gebrauchs der Vernunft      
  32 lediglich unter der Voraussetzung jener Gesetzmäßigkeit. Sie werden also      
  33 leicht dahin gebracht, sich, wenn etwas ungewohnlich ist oder sie heftig etwas      
     

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