Kant: AA XVI, L §. 207-215. IX 67-72. [Zeuge. Unglaube. ... , Seite 513

     
           
 

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    2792.   ω.   L 60'   Zu L §. 215:
 
     
  02 Fides ist eigentlich Treue im pacto oder (g subiectiv Zutrauen ) zu      
  03 einander, daß einer dem Andern sein Versprechen halten werde -- Treu      
  04 und Glauben. Das 1ste: wenn das pactum gemacht ist; das 2te: wenn      
  05 man es schließen soll. Nach der analogie ist die practische Vernunft      
  06 gleichsam der promittens, der Mensch der promissarius, das erwartete      
  07 Gute aus der That das promissum.      
           
   

 

2793.   ω.   L 62'.
 
     
  09 Das Glauben ist kein besonderer Erkentnisqvell. Es ist eine Art des      
  10 mit Bewustseyn unvollständigen Fürwahrhaltens und unterscheidet sich      
  11 vom Meynen, wenn es (g als auf ) besondere (g Art ) Objecte restrin (die      
  12 nur fürs Glauben gehören) restringirt betrachtet wird, vom Meynen nicht      
  13 durch den Grad, sondern durch das Verhaltnis, was es als Erkentnis      
  14 zum Handeln hat. So bedarf z. B. der Kaufmann, um einen Handel einzuschlagen,      
  15 daß er nicht blos meyne, es werde dabey was zu gewinnen      
  16 seyn, sondern daß ers glaube, d. i. seine Meynung zur Unternehmung      
  17 aufs Ungewisse zureichend sey. -- Nun haben wir theoretische Erkentnisse      
  18 (vom Sinnlichen) darinn wir es bis zur Gewisheit bringen können; und in      
  19 ansehung alles, was wir menschliches Erkentnis nennen können, muß das      
  20 Letztere moglich seyn. Eben solche gewisse Erkentnis und zwar (g ganzlich )      
  21 a priori haben wir in practischen Gesetzen; allein diese gründen sich auf      
  22 einem übersinnlichen Princip (der Freyheit), und zwar in uns selbst,      
  23 als einem Princip der practischen vErnunft. Aber diese practische Vernunft      
  24 ist eine Caussalität in Ansehung des eines gleichfalls übersinnlichen      
  25 objects: des höchsten Guts, welches in der Sinnenwelt (g durch      
  26 unser Vermögen ) nicht möglich ist; gleichwohl muß die Natur als object      
  27 unserer theoretischen Vernunft dazu Zusammenstimmen, denn es soll in      
     

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