Kant: AA XV, Reflexionen zur Anthropologie. , Seite 295

   
         
 

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    664.   κ 3 — ν2.   M 235'.
 
   
  02 Die Jugend hat Gern ernsthafte, erhabene und tragische (g ideale )    
  03 Rührungen; das Alter: das Lachen, das empirische, die Klugheit und die    
  04 Frohligkeit. Es giebt einen Geist der Schreibart, das Verachtungswürdige    
  05 auf eine lächerliche Weise erhaben, das Boshafte auf eine spottreiche    
  06 Art edel und liebenswerth, die Faulheit als lächerlich verdienstvoll    
  07 zu schildern. Dagegen das Unglück mit einer lächelnden und beurtheilenden    
  08 Art, den schmertz in das Hertz des Lesers eindrüken, die erhabenste    
  09 Tugend als Thorheit und das Kleine über das Große.    
         
  10 Dieses sind Pfeile, die sich tief in das Herz eindrüken, den Menschen    
  11 das sanfte, heitere Gemüth geben, was keine hochtrabende, sondern familiäre    
  12 Grundsätze der Tugend befolgt. Denn die Größe in der ernsthaften    
  13 Denkungsart ist nicht vor den Menschen, der am besten thut, wenn er, da    
  14 alles um ihn Kleinigkeit ist, sich eher gewohnt, das Laster zu verachten,    
  15 als es zu hassen, und mehr Leichtigkeit im Wohlverhalten und ekel im    
  16 Gegentheil als Heldentugend zu suchen. Wie sehr wäre zu Wünschen, daß    
  17 das deutsche genie - - bricht ab. Es würde den Vortheil haben, daß    
  18 seine Denkungsart mit iedem Alter besser stimmete, daß der Verstand    
  19 ein Weiter Feld bekäme den Witz zu begleiten, und daß auch so gar der    
  20 Gegenstand, den man lieber entfernt als den Leidenschaften zu nahe bringt,    
  21 unter dem lächelnden und gutherzigen Spotte der Vernunft auf seine    
  22 wahre Größe herabgesetzt würde und daraus ein trostender Gedanke,    
  23 welcher das Alter frohlich macht, entspränge, daß man doch endlich alles    
  24 zur Tugend und Glükseeligkeit geleitet habe.    
         
   

 

665.   κ — λ.   M 235'.
 
   
  26 Empfindsam seyn gehört zur Beurtheilung.    
  27 Empfindlich zu dem Zustande.    
  28 Verzärtelt.    
         
     

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