Kant: AA XII, Briefwechsel 1795 , Seite 053 |
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01 | Mit Hülfe einiger Freunde will ich mit dem neuen Iahr ein | ||||||
02 | Iournal anfangen, mehrere hiesige Schriftsteller wollen mir Beiträge | ||||||
03 | liefern. Bey einer solchen Unternehmung träumt wohl ein jeder, der | ||||||
04 | nicht lediglich für Gewinn schreibt, mehr oder weniger stolz. Ich | ||||||
05 | träumte sehr stolz, denn ich hielt es nicht für unmöglich Sie für mich | ||||||
06 | zu gewinnen. Etwas aus Ihren Papieren, was Sie vielleicht Kleinigkeit | ||||||
07 | nennen, einige hingeworfene Bemerckungen, denen Ihr Geist Licht | ||||||
08 | und Ihr Name Glantz verleiht, würden mich sehr glücklich machen | ||||||
09 | Können Sie, so unterstützen Sie meine Unternehmung - dringender | ||||||
10 | zu bitten, wage ich nicht, weil ich die zarte Linie die hier das Ungewöhnliche | ||||||
11 | vom Unbescheidenen trennt, zu überschreiten fürchte | ||||||
12 | Achten Sie es der Mühe werth, das Weib, welches Muth genug | ||||||
13 | hatte sich geradezu an Sie zu wenden, näher kennen zu lernen, so lesen | ||||||
14 | Sie das Buch, welches ich hier beilege. Dies ist der einzige Grund | ||||||
15 | der mich bewegen konnte, dem grossen Kant ein Geistesproduct darzubiethen, | ||||||
16 | dessen Fehlerhaftes ich selbst am lebhaftesten fühle | ||||||
17 | Mögte ich einer baldigen Antwort entgegen sehn dürfen! - Ich | ||||||
18 | habe mich zutrauungsvoll an Sie gewandt - Sie sind gewiss gut, | ||||||
19 | so groß u. berühmt Sie auch sind. Welche edle Humanität athmet | ||||||
20 | aus Ihrem ewigen Frieden! Welche Hofnungen wissen Sie in den | ||||||
21 | Herzen aller gutmüthigen Menschen zu entzünden! - Es hängt nur | ||||||
22 | von Ihnen ab, ob ich zu dem ernsten Gefühl von Ehrfurcht gegen Sie, | ||||||
23 | das ich mit Stolz in meiner Seele nähre, noch das süßere der Dankbarkeit | ||||||
24 | hinzufügen soll - Leben Sie wohl! | ||||||
25 | Mein Name ist: Professorin Mereau in Iena | ||||||
690. | |||||||
27 | Von Philipp Wilhelm Wolf. | ||||||
28 | 22. Dec. 1795. | ||||||
29 | Verehrungswürdiger Mann, | ||||||
30 | Während ein großer Theil Ihrer Verehrer beschäftigt ist, Ihre | ||||||
31 | Geisteswerke in Auszüge zu bringen, für Ungeweihte zu behandeln, zu | ||||||
32 | erweitern, zu vertheidigen, habe ich mich durch eigne Erfahrung überzeugt, | ||||||
33 | daß zur Einsicht in die kritische Philosophie das Studium der | ||||||
34 | Schriften ihres Urhebers selbst nicht nur der sicherste, sondern auch | ||||||
35 | der nächste Weg ist. Aber ein mühevoller Weg, nur wenigen offen. | ||||||
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