Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 472 |
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607. | |||||||
02 | Von Theodor Gottlieb von Hippel. | ||||||
03 | 5. Dec. 1793. | ||||||
04 | Verehrungswürdigster Theurester Freund. | ||||||
05 | Ihre gütige Zuschrift ist von der Art, daß ich sie nicht beantworten | ||||||
06 | kann. Ich habe mir zwar von je her den Vorzug Ihrer gütigen freundschaftlichen | ||||||
07 | Gesinnungen zugeeignet; auf den herzlichen Antheil indes, | ||||||
08 | den Sie an meiner Krankheit nehmen, konnte ich ohne übertriebene | ||||||
09 | Selbst Liebe nicht rechnen. Empfangen Sie Theurester Lehrer und | ||||||
10 | Freund meinen vorläufigen Danck, den ich bald mündlich ergänzen | ||||||
11 | werde. Wie sehr ich mich nach Ihrem lehrreichen Umgang sehne, der | ||||||
12 | mir, das wißen Sie selbst, mehr gilt als Alles was Königsberg hat, | ||||||
13 | darf ich Ihnen nicht sagen, da Sie überzeugt sind, wie innigst ich Sie | ||||||
14 | verehre. Schon ist es mir erfreulich, Ihr nachbarliches Haus aus | ||||||
15 | meinem Arbeits=Zimmer zu sehen, und mein erster Blick war täglich | ||||||
16 | dahin gerichtet. So soll es auch immerwährend bleiben so lange | ||||||
17 | ich sehen kann, und so lange ich durch diese Nachbarschaft beglückt werde. | ||||||
18 | Mein Augen Übel verläugnet nicht die Natur der Krankheiten, | ||||||
19 | die gemeinhin geschwinde kommen und langsam gehen, obgleich meine | ||||||
20 | Augen, wie Sie sich erinnern werden, schon seit geraumer Zeit mir | ||||||
21 | ihren Dienst erschwerten. Die Wohnung die ich in Danzig den ganzen | ||||||
22 | Sommer hindurch hatte, meine viele Arbeiten und die hiesige Schärfe | ||||||
23 | der Luft, die wegen der Nachbarschaft der See auffallend ist, hat diesen | ||||||
24 | Zufall ohne allen Zweifel beschleuniget, der mir auf immer die Lehre | ||||||
25 | zurücklaßen wird, mich mehr zu schonen. Herr CriminalRath Jensch | ||||||
26 | kann Ihnen die Art der hiesigen Geschäfte am zuverläßigsten anzeigen. | ||||||
27 | Man hat der Stadt Danzig bey der Occupation außerordentlich | ||||||
28 | viel versprochen, und es ist billig daß man so viel erfüllt, als sich nur | ||||||
29 | mit den Einrichtungen der Preußischen StaatsVerfaßung verträgt. | ||||||
30 | Die Stadt wird also nicht wie Königsberg, sondern nach eigener | ||||||
31 | Melodie eingerichtet. Auch ohne diese Gnaden Versicherungen hätte | ||||||
32 | man auf die vorzüglichen Rechte Rücksicht nehmen müßen, welche | ||||||
33 | Danzig nach förmlichen Verträgen mit England, Dännemarck und | ||||||
34 | andern Staaten genießt, und die man dieser Stadt der preußischen | ||||||
35 | Occupation ohnerachtet, zu erhalten suchen muste. Die Einrichtung | ||||||
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