Kant: Briefwechsel, Brief 607, Von Theodor Gottlieb von Hippel. |
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Von Theodor Gottlieb von Hippel. | |||||||
5. Dec. 1793. | |||||||
Verehrungswürdigster Theurester Freund. | |||||||
Ihre gütige Zuschrift ist von der Art, daß ich sie nicht beantworten | |||||||
kann. Ich habe mir zwar von je her den Vorzug Ihrer gütigen freundschaftlichen | |||||||
Gesinnungen zugeeignet; auf den herzlichen Antheil indes, | |||||||
den Sie an meiner Krankheit nehmen, konnte ich ohne übertriebene | |||||||
Selbst Liebe nicht rechnen. Empfangen Sie Theurester Lehrer und | |||||||
Freund meinen vorläufigen Danck, den ich bald mündlich ergänzen | |||||||
werde. Wie sehr ich mich nach Ihrem lehrreichen Umgang sehne, der | |||||||
mir, das wißen Sie selbst, mehr gilt als Alles was Königsberg hat, | |||||||
darf ich Ihnen nicht sagen, da Sie überzeugt sind, wie innigst ich Sie | |||||||
verehre. Schon ist es mir erfreulich, Ihr nachbarliches Haus aus | |||||||
meinem Arbeits=Zimmer zu sehen, und mein erster Blick war täglich | |||||||
dahin gerichtet. So soll es auch immerwährend bleiben so lange | |||||||
ich sehen kann, und so lange ich durch diese Nachbarschaft beglückt werde. | |||||||
Mein Augen Übel verläugnet nicht die Natur der Krankheiten, | |||||||
die gemeinhin geschwinde kommen und langsam gehen, obgleich meine | |||||||
Augen, wie Sie sich erinnern werden, schon seit geraumer Zeit mir | |||||||
ihren Dienst erschwerten. Die Wohnung die ich in Danzig den ganzen | |||||||
Sommer hindurch hatte, meine viele Arbeiten und die hiesige Schärfe | |||||||
der Luft, die wegen der Nachbarschaft der See auffallend ist, hat diesen | |||||||
Zufall ohne allen Zweifel beschleuniget, der mir auf immer die Lehre | |||||||
zurücklaßen wird, mich mehr zu schonen. Herr CriminalRath Jensch | |||||||
kann Ihnen die Art der hiesigen Geschäfte am zuverläßigsten anzeigen. | |||||||
Man hat der Stadt Danzig bey der Occupation außerordentlich | |||||||
viel versprochen, und es ist billig daß man so viel erfüllt, als sich nur | |||||||
mit den Einrichtungen der Preußischen StaatsVerfaßung verträgt. | |||||||
Die Stadt wird also nicht wie Königsberg, sondern nach eigener | |||||||
Melodie eingerichtet. Auch ohne diese Gnaden Versicherungen hätte | |||||||
man auf die vorzüglichen Rechte Rücksicht nehmen müßen, welche | |||||||
Danzig nach förmlichen Verträgen mit England, Dännemarck und | |||||||
andern Staaten genießt, und die man dieser Stadt der preußischen | |||||||
Occupation ohnerachtet, zu erhalten suchen muste. Die Einrichtung | |||||||
von Thorn ist auch von hier aus besorgt worden, und außer diesen | |||||||
Geschäften fallen täglich currente Sachen vor, die oft sehr wichtig sind, | |||||||
indem die alte Danziger Verfaßungen mit der unsrigen in einzelnen | |||||||
Fällen nicht ohne Schwierigkeiten zu vereinbaren sind. Wenn man | |||||||
den alten Magistrat und die ganze alte Einrichtung so lange unverlezt | |||||||
gelaßen hätte, bis die Stadt Collegia auf preußischen Fuß wären | |||||||
organisiret worden, so würden diese lezten Arbeiten nicht statt finden, | |||||||
dle jetzo durch den gleich bei der Occupation eingesezten Interimistischen | |||||||
Magistrat nothwendig werden. Es wird also jezt Danzig halb nach | |||||||
ihrer vorigen halb nach unserer Verfaßung regirt. Alle diese Umstände | |||||||
indes bleiben unter uns. | |||||||
Iezt ist alles dem Ziel nahe, indem bereits sehr viel von Hofe | |||||||
aus genehmiget ist, doch wird der Verbindung halber Alles auf einmahl | |||||||
organisiret werden müßen. Wem die Verhältniße der hiesigen Arbeiten | |||||||
nicht genau beckannt sind, hat die gerechteste Ursache von der Welt | |||||||
über meinen hiesigen verlängerten Aufenthalt sich zu wundern. Verzeihen | |||||||
Sie theurester Freund diese Abschweifung, die HErr CriminalRath | |||||||
Jensch, wenn Sie sie so viel Werth halten, noch näher ins | |||||||
Licht setzen kann. So viel bleibt gewis daß Dantzig den HErrn Ober | |||||||
Praesidenten als einen Wohlthäter verehren kann, und daß die Organisation | |||||||
für diese Stadt bei weitem nicht so vorteilhaft ausgefallen | |||||||
seyn würde, wenn derselbe nicht das Zutrauen des Königes zum | |||||||
Besten Danzigs benuzt hätte. | |||||||
Ehe ich schließe muß ich noch bemercken wie wohlthätig Ihre mir | |||||||
unvergeßliche Zuschrift vom 2ten December gewesen, ich verdancke ihrem | |||||||
Innhalt die vorzüglichste Nacht, die ich noch in meiner Kranckheit gehabt | |||||||
habe. Die Religion innerhalb der Grentzen der bloßen Vernunft, | |||||||
habe ich mir in meiner Kranckheit vorlesen laßen, und tausendmahl | |||||||
gewünscht, daß man jezt in Franckreich dieses Buch lesen möchte, welches | |||||||
hier in Danzig: den Namen Kants Religion, führt. Der unsterbliche | |||||||
Nahme: Immanuel Kant darf wahrlich kein Bedencken tragen dieser | |||||||
Schrift vorgesezt zu seyn, die sehr viel Gutes stiften kann und wird. | |||||||
Iezt hab ich nur noch die Bitte, daß des großen Seegens ohnerachtet | |||||||
den Ihre Bücher stiften, Sie nicht vergeßen mögen sich zu schonen. | |||||||
Diese Bitte darf ein Sohn seinem Vater thun, wenn gleich er überzeugt | |||||||
ist, daß der Anspruch den die Welt auf seinen Vater hat, dem | |||||||
seinigen vorgeht. | |||||||
Herr D. Jachmann, an den ich heute wegen meiner Augen schreibe, | |||||||
wird Ihnen von ihrer Beschaffenheit Nachricht ertheilen. Sie wißen | |||||||
wie viel ich auch selbst in diesem Fach Ihrer Einsicht traue. | |||||||
Eigenhändig nenn ich mich mit der treusten VerEhrung und der | |||||||
treusten Freundschaft den | |||||||
Ihrigen | |||||||
Danzig den 5ten Decbr. | Hippel. | ||||||
1793. | |||||||
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