Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 464

     
           
 

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  01 von dem Gegentheil einiger darinn aufgestellten Behauptungen,      
  02 zum Theil durch Gründe, die auf meinem eigenen Bewußtseyn beruhen,      
  03 und insofern völlig unwiderlegbar sind, überzeugt bin, und da      
  04 ich es noch immer sehr vernünftig, und für meine Moralität sehr      
  05 zuträglich finde, die Göttliche Auctorität Christi anzuerkennen, und      
  06 folglich die Frage, ob es eine Göttliche Offenbarung (im engeren Sinn      
  07 des Worts) gebe, nicht unentschieden zu lassen. Verzeihen Sie, verehrungswürdigster      
  08 Mann, diese Äußerung meiner Ehrlichkeit und      
  09 Wahrheitsliebe.      
           
           
    601.      
  11 Von Carl August Noeldechen.      
           
  12 Berlin den 29ten Octbr 1793.      
           
  13 Wohlgeborner Herr      
  14 Hochzuehrender Herr Professor!      
           
  15 Verzeihen Ew. Wohlgebohrn daß ich nicht schon längst meine      
  16 Schuldigkeit beobachtet und Ihnen von meiner jetzigen Lage Nachricht      
  17 gegeben habe. Es war nicht Recht von mir, ich gestehe es, bin aber      
  18 doch einigermaßen zu entschuldigen, da ich mich beinahe 3 Monate in      
  19 Geschäften der Seehandlungs Societaet, bei der ich als Sekretär angestellt      
  20 bin, in Süd Preußen habe umtreiben müßen. Sie sind zu gütig      
  21 verehrungswürdiger Herr Profeßor als daß Sie mir nicht, aus dem      
  22 angeführten Grunde meinen Fehler verzeihen sollten.      
           
  23 Mit meiner Lage bin ich sehr zufrieden, ich arbeite unter der      
  24 Direction meines Vaters und dies will viel sagen, da wenige Menschen      
  25 dieses Glücks im Anfange ihres bürgerlichen Lebens genießen, sondern      
  26 ihre Geschäftslaufbahn unter der Aufsicht fremder Vorgesetzten beginnen      
  27 müßen.      
           
  28 Nun muß ich Ew Wolgebohrn noch wegen Einer Sache um Verzeihung      
  29 bitten und diese ist, daß ich so frei bin Ihnen einen Streit      
  30 der neulich hier in einer Gesellschaft entstand vorzutragen Derselbe      
  31 betraf die Moralität der Handlungen und gründete sich auf Ihre und      
  32 HErrn etc Eberhards Lehre von den Pflichten. Ein Theil der Gesellschaft      
  33 vertheidigte Ihr der Andre HErrn etc Eberhards System und endlich      
  34 wurde von den Lezteren folgender Fall angeführt und die Frage aufgeworfen      
  35 was dabei Pflicht wäre. Der Fall war: Es verkauft ein      
  36 Mensch A dem B ein Gut als Allodial und erhält von diesem das geforderte      
           
     

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