Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 442

     
           
 

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    585.      
  02 Von Iacob Sigismund Beck.      
           
  03 Halle den 24ten August 1793.      
           
  04 Sehr Theurer Lehrer,      
  05 In meinem Auszuge aus Ihrer Critick der Urtheilskraft bin ich      
  06 bis zu der Dialectick der teleologischen Urtheilskraft gekommen. Eine      
  07 Folge von der sehr großen Deutlichkeit, mit der ich diese Materie einsehe,      
  08 und der sehr festen Ueberzeugung die ich davon habe, ist die      
  09 gewesen, daß ich lange Ihnen mit meinen Briefen nicht habe beschwerlich      
  10 seyn dürfen. Auch ist das Licht, welches das Studium dieser      
  11 Critick der Urtheilskraft auf die Transcendentalphilosophie überhaupt      
  12 und auf die Critick der practischen Vernunft für meine Augen zurückgeworfen      
  13 hat, beträchtlich. Erlauben Sie mir, Ihnen sagen zu dürfen,      
  14 daß meine Seele, noch nie einem Gelehrten sich so verbunden gefühlt      
  15 hat, als Ihnen, ehrwürdiger Mann. Ich habe seit der Zeit, da ich      
  16 Ihren mündlichen Vortrag anhörte, sehr viel Vertrauen zu Ihnen gehabt;      
  17 aber ich gestehe auch, daß bey den Schwierigkeiten die mich      
  18 lange gedruckt haben, dieses Vertrauen öfters zwischen dem zu Ihnen,      
  19 und dem, zu mir selbst gewankt hat. Mein ziemlicher Fortgang in      
  20 der Mathematick, und die so vielfach fehlgeschlagenen Versuche in der      
  21 Philosophie, mancher berühmten Männer, war mir nämlich ein Grund      
  22 nicht alle Zuversicht zu mir selbst aufzugeben. Von der andern Seite      
  23 aber mußte ich nothwendig denken, daß das Loos des Menschen das      
  24 betrübteste seyn müßte, wenn er nicht einmahl mit sich selbst fertig      
  25 werden könnte, und sich selbst, von dem, was er dächte, nicht völlige      
  26 Rechenschaft ablegen könnte. Ich habe daher Ihre Schriften immerfort      
  27 sorgfältig studirt, und ich darf es jetzt sagen, weil es wahr ist,      
  28 daß die dadurch erlangte innige Bekanntschaft mit denselben, mich mir      
  29 selbst bekannt gemacht hat. Was wohl einem vernünftigen Wesen, das      
  30 wünschenswürdigste Gut seyn muß, das hat mir Ihre Philosophie gewähret.      
  31 Denn ich bin durch sie aufmerksam gemacht und belehrt      
  32 worden, in Ansehung des vielbedeutenden Unterschiedes zwischen denken      
  33 und erkennen, zwischen dem: mit Begriffen spielen, und Begriffe haben      
  34 objective Gültigkeit, und was mehr, als alles ist, ich habe die die      
  35 Verknüpfung die wir im Sittengesetz denken, die man sich so gern als      
  36 analytisch vorstellen mag, um wahrscheinlich dadurch nicht allein sich      
           
     

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