Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 433

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Bey dem Empfang der Abhandlung, die ich die Ehre habe diesem      
  02 Briefe beyzufügen, wird es sie befremden, welche Ursache ich damals,      
  03 als ich deren erwähnte, haben konnte, damit geheim zu thun. Diese      
  04 bestand darin daß die Censur des zweyten Stücks derselben, das in      
  05 die Berl. M. S. hatte kommen sollen dort Schwierigkeiten fand,      
  06 welche mich nöthigten, sie, ohne weiter davon zu erwähnen, anderwerts      
  07 drucken zu lassen.      
           
  08 Ihr gütiges Versprechen der gelegentlichen Mittheilung einiger      
  09 litterärischer Geschichten, nehme ich mit sehr großem Dank an, worunter      
  10 mir die, von dem starken Anwachs der Zahl Ihrer die Philosophie      
  11 lernenden Zuhörer, schon viel Vergnügen macht, welches aber durch      
  12 die Nachricht von Ihrer bevestigten Gesundheit sehr erhöhet werden      
  13 würde. Doch Ihre Iugend gibt mir dazu die beste Hoffnung, wenn      
  14 sich damit die philosophische Gleichgültigkeit gegen das, was nicht in      
  15 unserer Gewalt ist, verbindet, die allein im Bewustseyn seiner      
  16 Pflichtbeobachtung den wahren Werth des Lebens setzt, zu welcher Beurtheilung      
  17 uns endlich die lange Erfahrung von der Nichtigkeit alles      
  18 andren Genusses zu bringen nicht ermangelt.      
           
  19 Indem ich das übrige, was noch zu sagen wäre, meinem nächsten      
  20 Briefe vorbehalte, empfehle mich jetzt Ihrem fernerem Wohlwollen als      
           
  21   Ihr      
  22   treuer Freund u Diener      
  23   I Kant      
           
           
    578.      
  25 An Iohann Gottlieb Fichte.      
           
  26 12. Mai 1793.      
           
  27 Zu der der Bearbeitung wichtiger philosophischer Aufgaben geweiheten,      
  28 glücklich erlangten Muße gratulire ich Ihnen, würdiger Mann,      
  29 von Herzen, ob Sie zwar, wo und unter welchen Umständen Sie solche      
  30 zu genießen hoffen, zu verschweigen gut finden.      
           
  31 Die Ihnen Ehre machende Schrift: "Kritik aller Offenbarung"      
  32 habe ich bisher nur theilweise und durch dazwischen laufende Geschäfte      
  33 unterbrochen gelesen. Um darüber urtheilen zu können, müßte ich sie      
  34 in einem stetigen Zusammenhange, da das Gelesene mir immer gegenwärtig      
  35 bleibt, um das Folgende damit zu vergleichen, ganz durchgehen,      
  36 wozu ich aber bis jetzt weder die Zeit noch die Disposition, die einige      
           
     

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