Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 432 |
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01 | Es war in der That ein dichterischer, die den reinen Verstandesbegriffen | ||||||
02 | correspondirende Darstellung in Gewalt habender Kopf, den ich immer | ||||||
03 | wünschte, aber zu hoffen mir nicht getraute, um die Mittheilung dieser | ||||||
04 | Grundsätze zu befördern, denn die scholastische Genauigkeit in Bestimmung | ||||||
05 | der Begriffe, mit der Popularität einer blühenden Einbildungskraft | ||||||
06 | vereinigen können, ist ein zu seltenes Talent, als daß man so | ||||||
07 | leicht darauf rechnen könnte, es bald wo anzutreffen. - Um desto | ||||||
08 | mehr und, da mich Ihr, eine gründliche Einsicht in das Wesen und | ||||||
09 | die Articulation des Systems verrathender Abris, von Ihrer Geschicklichkeit | ||||||
10 | in Ausführung desselben überzeugt hat, so gratulire ich den | ||||||
11 | Theilnehmern an demselben und mir selbst zu dem Beytritt eines so | ||||||
12 | würdigen Mitarbeiters. Die frohe geistvolle Laune, dadurch mich Ihre | ||||||
13 | Gedichte oft vergnügt haben, hatten mich nicht erwarten lassen, da | ||||||
14 | die trockene Speculation auch für Sie Reitz bey sich führen könnte. | ||||||
15 | Aber sie führt doch unausbleiblich zu einer gewissen Erhabenheit der | ||||||
16 | Idee, welche die Einbildungskraft mit ins Spiel ziehen und, obzwar | ||||||
17 | durch diese unerreichbar, doch das Gemüth durch analogische Vorstellungsart | ||||||
18 | in Bewegung setzen und für sie einnehmen. - Das Übel, | ||||||
19 | wovon mir Hr. Hofrath Kaestner in seinem Schreiben merken lies, | ||||||
20 | daß die neue Terminologien von Nachbetern öfters gebraucht würden, | ||||||
21 | ohne ihren Sinn zu fassen, kann durch Ihren Reichthum und Gewandtheit | ||||||
22 | der Sprache auch großentheils gehoben werden. Wobey ich unter | ||||||
23 | Anwünschung des besten Fortgangs Ihrer Unternehmung, mit der | ||||||
24 | vollkommensten Hochachtung und Zuneigung jeder Zeit bin | ||||||
25 | Ew. Wohlgeborn | ||||||
26 | Königsberg | ganz ergebenster Diener | |||||
27 | d. 7. Mai | I Kant | |||||
28 | 1793. | ||||||
577. | |||||||
30 | An Carl Leonhard Reinhold. | ||||||
31 | [7. Mai 1793.] | ||||||
32 | Ihren liebevollen Brief vom 21. Ianuar, theuerster Herzensfreund! | ||||||
33 | werde ich jetzt noch nicht beantworten. Ich habe Ihrer gütigen Besorgung | ||||||
34 | noch Briefe an D. Erhard und Fräul: Herbert anzuempfehlen, | ||||||
35 | die ich, sammt meiner schuldigen Antwort, innerhalb | ||||||
36 | 14 Tagen abgehen zu lassen gedenke. | ||||||
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