Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 418 |
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565. | |||||||
02 | Von Iohann Gottlieb Fichte. | ||||||
03 | 2. April 1793. | ||||||
04 | Wohlgebohrner Herr, | ||||||
05 | Höchstzuverehrender Herr Profeßor, | ||||||
06 | Schon längst hat mein Herz mich aufgefordert, an Euer Wohlgebohrn | ||||||
07 | zu schreiben; aber ich habe diese Aufforderungen nicht befriedigen | ||||||
08 | können. Euer Wohlgebohrn verzeihen auch jezt, wenn ich mich allenthalben | ||||||
09 | so kurz faße, als möglich. | ||||||
10 | Da ich mir - schmeichelt mir das - eine jugendliche Eitelkeit, | ||||||
11 | oder ist es in der Erhabenheit Ihres Charakters, sich auch zum Kleinen | ||||||
12 | herabzulaßen? - da ich mir einbilde, daß Euer Wohlgebohrn einigen | ||||||
13 | Antheil an mir nehmen, so lege ich Ihnen meine Pläne vor. - Iezt | ||||||
14 | habe ich vor's erste meine Offenbarungs=Theorie zu begründen. | ||||||
15 | Die Materialien sind da; und es wird nicht viel Zeit erfordern, sie zu | ||||||
16 | ordnen. - Dann glüht meine Seele von einem großen Gedanken: die | ||||||
17 | Aufgabe, S. 372-374. der Critik d. r. Vft. (dritte Auflage) zu lösen. | ||||||
18 | Zu allem diesen bedarf ich sorgenfreie Muße; und sie giebt mir die | ||||||
19 | Erfüllung einer unerlaßlichen aber süßen Pflicht. Ich genieße sie in | ||||||
20 | einem mir sehr zuträglichen Klima, bis jene Aufgaben gelößt sind. | ||||||
21 | Ich habe zu meiner Belehrung und zu meiner Leitung auf meinem | ||||||
22 | weitern Wege das Urtheil des Mannes, den ich unter allen am meisten | ||||||
23 | verehre, über meine Schrift gewünscht. Krönen Sie alle Ihre Wohlthaten | ||||||
24 | gegen mich damit, daß Sie mir daßelbe schreiben. Ich habe | ||||||
25 | jezt keine bestimmte Addreße. Kann nicht etwa Ihr Schreiben mit | ||||||
26 | einem der Königsberger Buchhändler nach Leipzig zur Meße abgehen | ||||||
27 | (in welchem Falle ich es abholen werde) so hat die Frau Hofpredigerinn | ||||||
28 | Schulz eine sichere, aber in etwas verspätende Addreße an mich. | ||||||
29 | Der Rec. der N. D. A. B. sezt mich in den craßesten Widerspruch mit | ||||||
30 | mir selbst; doch, das weiß ich zu lösen: aber er sezt mich in den | ||||||
31 | gleichen offenbaren Widerspruch mit dem Urheber der kritischen Philosophie. | ||||||
32 | Auch das wüste ich zu lösen, wenn es nicht nach seiner Relation, | ||||||
33 | sondern nach meinem Buche gehn soll. | ||||||
34 | Und jezt, wenn die Vorsehung nicht das Flehen so vieler erhören, | ||||||
35 | und Ihr Alter über die ungewöhnlichste Grenze des Menschen Alters | ||||||
36 | hinaus verlängern will, jezt, guter, theurer, berehrungswürdiger Mann, | ||||||
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