Kant: AA XI, Briefwechsel 1793 , Seite 417 |
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Text (Kant):
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| 01 | Mit der herzlichsten innigsten Verehrung bin ich lebenslang | ||||||
| 02 | Dero | ||||||
| 03 | gehorsamstergebenster | ||||||
| 04 | Berlin den 9 März 1793. | Carl Spener | |||||
| 564. | |||||||
| 06 | An Carl Spener. | ||||||
| 07 | 22. März 1793. | ||||||
| 08 | Hochgeschätzter Mann! | ||||||
| 09 | Ihr den 9. März an mich abgelassener, den 17. angelangter, Brief | ||||||
| 10 | hat mich dadurch erfreut, daß er mich an Ihnen einen Mann hat kennen | ||||||
| 11 | lernen, dessen Herz für eine edlere Theilnahme, als blos der des Handlungsvortheils, | ||||||
| 12 | empfänglich ist. Allein in den Vorschlag einer neuen | ||||||
| 13 | abgesonderten Auflage des Stücks der B[erlinischen] Monatsschrift "über | ||||||
| 14 | die Abfassung einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht" | ||||||
| 15 | am wenigsten mit auf gegenwärtige Zeitumstände gerichteten Zusätzen, | ||||||
| 16 | kann ich nicht entriren. - Wenn die Starken in der Welt im Zustande | ||||||
| 17 | eines Rausches sind, er mag nun von einem Hauche der Götter, oder | ||||||
| 18 | einer Mufette herrühren, so ist einem Pygmäen, dem seine Haut lieb | ||||||
| 19 | ist, zu rathen, daß er sich ja nicht in ihren Streit mische, sollte es | ||||||
| 20 | auch durch die gelindesten und ehrfurchtvollsten Zureden geschehen; am | ||||||
| 21 | Meisten deswegen, weil er von diesen doch gar nicht gehört, von andern | ||||||
| 22 | aber, die die Zuträger sind, mißgedeutet werden würde. - Ich trete | ||||||
| 23 | von heute über 4 Wochen in mein 70stes Lebensjahr. Was kann | ||||||
| 24 | man in diesem Alter noch Sonderliches, auf Männer von Geist wirken | ||||||
| 25 | zu wollen, hoffen? und, auf den gemeinen Haufen? Das wäre verlorene, | ||||||
| 26 | ja wohl gar zum Schaden desselben verwandte Arbeit. In | ||||||
| 27 | diesem Reste eines halben Lebens ist es Alten wohl zu rathen das | ||||||
| 28 | " non defensoribus istis tempus eget " und sein Kräftemaaß in Betrachtung | ||||||
| 29 | zu ziehen, welches beinahe keinen andern Wunsch, als den der | ||||||
| 30 | Ruhe und des Friedens übrig läßt. | ||||||
| 31 | In Rücksicht hierauf werden Sie mir, wie ich hoffe, meine abschlägige | ||||||
| 32 | Antwort nicht für Unwillfährigkeit auslegen; wie ich denn | ||||||
| 33 | mit der vollkommensten Hochachtung jederzeit bin | ||||||
| 34 | Ihr | ||||||
| 35 | ganz ergebenster Diener | ||||||
| 36 | Königsberg, den 22. Mars 1793. | I. Kant. | |||||
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