Kant: AA XI, Briefwechsel 1792 , Seite 317

     
           
 

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    501.      
  02 Von Iohann Gottlieb Fichte.      
           
  03 23. Ian. 1792.      
           
  04 Wohlgebohrner Herr,      
  05 Höchstzuverehrender Herr Profeßor,      
  06 Ich habe ohnlängst die meinem Herzen sehr erfreuliche Nachricht      
  07 erhalten, daß Euer Wohlgebohrn mit der liebevollsten Besorgsamkeit      
  08 bei jener unerwarteten CensurVerweigerung, und Herrn Hartungs      
  09 darauf gefaßten Entschluße in Ihrem Rathe dabei auf mein mögliches      
  10 künftiges Wohl bedacht gewesen sind. Das Andenken, und die Besorgsamkeit      
  11 eines Mannes, der meinem Herzen über alles ehrwürdig ist,      
  12 ist mir theuer, und ich versichere Dieselben hierdurch meiner wärmsten      
  13 Dankbarkeit dafür; eine Versicherung, die ich, um Ihrer Zeit zu      
  14 schonen, erst später würde gegeben haben, wenn ich nicht zugleich Ihres      
  15 Raths bedürfte.      
           
  16 Ein Gönner nemlich, den ich verehre, bittet mich in einem Briefe      
  17 über diesen Gegenstand, der mit einer Güte geschrieben ist, die mich      
  18 rührt, bei einer durch diesen Aufschub des Druks vielleicht möglichen      
  19 Revision der Schrift doch noch ein paar Punkte in ein ander Licht zu      
  20 stellen, die zwischen ihm und mir zur Frage gekommen sind. Ich      
  21 habe nemlich gesagt, daß der Glaube an eine gegebne Offenbarung      
  22 vernunftmäßig nicht auf WunderGlauben gegründet werden könne,      
  23 weil kein Wunder, als solches, zu erweisen sei; habe aber in einer      
  24 Note hinzugesetzt, daß man, nach anderweitigen guten Gründen, da      
  25 eine Offenbarung als göttlich annehmbar sei, sich allenfals der Vorstellung      
  26 von bei ihr geschehnen Wundern bei Subjecten, die so etwas      
  27 bedürfen, zur Rührung und Bewunderung bedienen könne; die einzige      
  28 Milderung, die ich diesem Satze geben zu können glaubte. Ich habe      
  29 ferner gesagt, daß eine Offenbarung weder unsre dogmatischen noch      
  30 moralischen Erkenntniße ihrer Materie nach erweitern könne; aber      
  31 wohl zugestanden, daß sie über transscendente Gegenstände, über welche      
  32 wir zwar das Daß glauben, über das Wie aber nichts erkennen      
  33 können, etwas bis zur Erfahrung provisorisch, und für die, die es sich      
  34 so denken wollen, subjectiv wahres hinstellen könne, welches aber nicht      
  35 für eine materielle Erweiterung, sondern blos für eine zur Form gehörige      
  36 verkörpernde Darstellung des schon a priori gegebnen Geistigen      
  37 zu halten sei. Ohnerachtet fortgesezten Nachdenkens über beide Puncte      
           
     

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