Kant: AA XI, Briefwechsel 1791 , Seite 287 |
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01 | irgend ein Selbstdenker, sich im Ernste einfallen lassen wird, dadurch | ||||||
02 | diese Lücken wircklich ausfüllen zu können. Die dunkeln Vorstellungen | ||||||
03 | sind blos die Brücken, worüber man von der Seele zum Körper, und | ||||||
04 | wiederum von diesem zu jener übergeht, (obschon Leibnitz gute Ursachen | ||||||
05 | gehabt hat, diesen Durchgang zu verwehren.) | ||||||
06 | Sogar mit Herrn Reinholds Erklärung der Philosophie kann ich nicht | ||||||
07 | zufrieden seyn. Er begreift unter Philosophie überhaupt was Sie mit | ||||||
08 | Recht unter dem besondern Nahmen Transcendentalphilosophie (die Lehre | ||||||
09 | von den Bedingungen der Erkenntniß eines reellen Objekts überhaupt.) | ||||||
10 | Ich wünsche hierüber, wie auch etwas über mein Wörterbuch (das | ||||||
11 | allem Anscheine nach entweder gar nicht, oder schlecht recensirt werden | ||||||
12 | wird) Ihre Meinung zu vernehmen. In Erwartung dieser verharre | ||||||
13 | ich, Ehrfurchtsvoll | ||||||
14 | Euer Wohlgebohren | ||||||
15 | Berlin den 20ten | ganz ergebenster | |||||
16 | September 1791. | Salomon Maimon | |||||
487. | |||||||
18 | An Carl Leonhard Reinhold. | ||||||
19 | Königsberg, d. 21. Sept. 1791. | ||||||
20 | Wie können Sie mich, theuerster Mann, auch nur einen Augenblick | ||||||
21 | in Verdacht haben, daß meine Unterlassungssünden, deren ich | ||||||
22 | viele auf meiner Rechnung habe, irgend einer Abneigung, ja gar auch | ||||||
23 | nur der mindesten Kaltsinnigkeit gegen Sie, die mir, wer weiß wer | ||||||
24 | meiner bloß nachbetenden Anhänger, eingeflößt haben sollte, zuzuschreiben | ||||||
25 | wären, da, wenn es auch nicht die Herzensneigung gegen | ||||||
26 | einen so liebens= und hochachtungswürdigen Mann thäte, mich schon | ||||||
27 | das Verdienst, welches Sie um die Aufhellung, Bestärkung und Verbreitung | ||||||
28 | meiner geringen Versuche haben, zu Dankbarkeit verbinden | ||||||
29 | müßte und ich mich selbst verachten würde, wenn ich an dem Spiele | ||||||
30 | der Eifersucht und Rechthaberei im Felde der Speculation mehr | ||||||
31 | Interesse nähme, als an den rechtschaffenen Gesinnungen der Mitwirkung | ||||||
32 | zu Allem, was gut und selbstständig ist, wozu das volle Zutrauen | ||||||
33 | und die Herzensvereinigung zwischen Wohldenkenden, selbst bei großer | ||||||
34 | Verschiedenheit der Meinungen (welches zwischen uns doch der Fall | ||||||
35 | nicht ist), nothwendig gehört. Ach, wenn es für uns ein Verhältniß | ||||||
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