Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 127

     
           
 

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  01 Der Prediger Ienisch will eine Logik der Heterodoxie herausgeben,      
  02 was das sein soll, weiß Gott; es soll niemand wissen, daß er      
  03 Verfasser ist, und doch weiß es die ganze Stadt, da er es jedem unter      
  04 dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut.      
           
  05 Der O. C. R. Gedike ist Mitglied der Acad. der Wissenschaften      
  06 geworden; dis wird seinem Stolz unendlich schmeicheln. Die Baronesse      
  07 von Bielefeld hat mir das feste Versprechen gethan, daß ich künftiges      
  08 Iahr Lehrer der Prinz. Auguste werden soll; ich würde sogleich die      
  09 Stelle erhalten haben, wenn die Prinzessin nicht zu jung wäre. Doch      
  10 bleibt die Sache bis dahin ein Geheimniß.      
           
  11 Ich bin mit dem Minister von Schulenburg in nähere Verbindung      
  12 gekommen. Einige meiner Freunde hatten mich ersucht, ihnen ein      
  13 Colleg. privat. uber die reine Mathem. zu lesen, und ich war es eingegangen,      
  14 unter der Bedingung, daß eine Gesellschaft von 10 Personen      
  15 sich fände, die 100 rthlr. bezahlten. Der junge Graf von Schulenburg      
  16 Sohn des Ministers, der mich kennt, wünschte auch daran Theil zu      
  17 nehmen, und sagte es seinem Vater. Zufälligerweise spricht dieser an      
  18 demselben Tage bei der Cour mit der Baronesse v. Bielefeld und mit      
  19 dem Kanzler von Hoffmann von mir, und dis bewegt ihn, den andern      
  20 Tag seinen Sohn zu mir zu schicken, und mir den Antrag thun zu laßen,      
  21 ich möchte die Anzahl der Zuhörer auf 6 Personen heruntersetzen, er      
  22 wolle sodann die 100 rthlr. voll machen, selbst zuweilen mein Zuhörer      
  23 sein, und mir einen Saal in seinem Hause einräumen, auch für Tafel,      
  24 Zirkel, Lineal etc. sorgen. Vergangenen Mittwoch ließ er mich zur      
  25 Tafel bitten, weil ich aber von 2 bis 3 Uhr Logik lese, so mußte ich      
  26 die Einladung ausschlagen; ich ging aber gleich nach Tische zu ihm,      
  27 und er nahm mich äußerst gnädig auf. Ich werde also den 1t. Aprill      
  28 meine Vorlesungen bei ihm anfangen. Seine Gnade ist von Bedeutung,      
  29 da er mit den Ministern Finkenstein und Voß nahe verwandt ist, und bei      
  30 Hofe großen Einfluß hat.      
           
  31 Sein Sie doch so gefällig und geben Sie einliegendes Briefchen an      
  32 HE. Iachmann. Den Aufsatz über das Manipuliren sollen Sie nächstens      
  33 durch HE. Iachmann erhalten, er würde, wenn ich ihn jetzt schicken      
  34 wollte, den Brief zu stark machen. - Meinen wärmsten und besten      
  35 Dank für Ihre gütige Verwendung wegen des Honorars bei HE.      
  36 de la Garde. - Ich denke künftige Hundtagsferien Sie mündlich      
  37 zu sprechen und Ihnen mündlich zu sagen, wie unendlich ich Sie liebe,      
           
     

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