Kant: AA XI, Briefwechsel 1790 , Seite 122 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | Anwesenheit in Koenigsb: vorging und wobey dieser bey jedermann | ||||||
02 | in den Verdacht einer großen Unbesonnenheit verfiehl. Einen jeden | ||||||
03 | den ich in Koenigsb: gesprochen und der vermuthen konnte daß ich mit | ||||||
04 | HE I- bekannt sey, war von dem Vorfall unterrichtet; mein jüngster | ||||||
05 | Bruder war der erste, welcher mir alles mit Vor= und Zusatz erzehlte, | ||||||
06 | ich selbst wuste damals noch kein Wort von der gantzen Sache, die | ||||||
07 | mir jedoch bey meiner Rükkumpft von Berlin, wo sie eben so bekannt | ||||||
08 | als in Koen: war, von jedermann erzählt und bekräftiget wurde. | ||||||
09 | bald darauf fand ich Gelegenheit mit HE I- über diesen Punkt zu | ||||||
10 | sprechen, es schien ihm leid zu thun, daß die Sache auch selbst in | ||||||
11 | Koen: nicht unbekannt geblieben war. Indeßen bemühete er sich mir | ||||||
12 | seine Unschuld durch eine lange und äußerst komplizirte Geschichte dar | ||||||
13 | zu thun. Ist das alles wahr was Sie da sagen? frug ich ihm. | ||||||
14 | Er versicherte es hoch und theuer. Wenn dem allso ist versetzte ich, | ||||||
15 | so schreiben Sie alles was Sie mir eben erzehlt haben an HE Prof: | ||||||
16 | Kant oder Krause und bitten Sie diese Herren, daß Sie diese Ihre | ||||||
17 | Entschuldigung dort erzehlen; ihre Worte haben Gewicht, es kann alles | ||||||
18 | dazu beytragen um die vorgefaßte Meinungen, die dort ein jeder von | ||||||
19 | Ihnen hat zu Ihrem Besten zu wenden. "Ich darf mich kaum unterstehen | ||||||
20 | an Herrn Prof Kant zu schreiben, erwiederte er, ich schäme | ||||||
21 | mich dies solange versäumt zu haben. - Fürchten Sie nichts, antwortete | ||||||
22 | ich ihm, Sie kennen seine Denkungs=Art, überdem kann ich | ||||||
23 | Sie versichern, daß Er sich Ihrer auf der liebreichsten Art erinnert | ||||||
24 | hat. Und so verließ ich HE I: und dachte nicht weiter an den | ||||||
25 | gantzen Vorfall. Mittelerweile ich in Leipzig war hatte ein hier | ||||||
26 | durchreisender Iude HE I. gesagt daß mann in Koenigsb: allgemein | ||||||
27 | versicherte, er würde wegen eines falschen Atestes den er producirt | ||||||
28 | hätte, von seinen Posten entsetzt werden. Diese Rede hatte ihm sehr | ||||||
29 | aufgebracht und in dieser stürmischen Gemüthsverfaßung setzt er sich | ||||||
30 | hin und schreibt. an Ew: Wohlgebohrn einen Brief deßen Inhalt er | ||||||
31 | mich nach meiner Rükkumpft bekannt machte, und wo ich denn deutlich | ||||||
32 | gewahr wurde, daß er meinen wohlgemeinten Rath gäntzlich aus | ||||||
33 | den Augen gesetzt, indem er in einen Ton geschrieben, welcher nichts | ||||||
34 | weniger als der bittende war den ich ihm angerathen, sondern vielmehr | ||||||
35 | einen solchen angenommen, der Ihnen mißfallen könnte, und den ich | ||||||
36 | durchaus mißbilligte. Nach dem was ich HE Pr: Krause bald nach | ||||||
37 | meiner Rükkumpft geschrieben, können Ew: Wohlgebohrn mutmaaßen, | ||||||
[ Seite 121 ] [ Seite 123 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |