Kant: AA XI, Briefwechsel 1789 , Seite 042

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 vor der Hand einzulassen." (Vorher S. 157 hatte er gesagt das Recht      
  02 auf die logische Warheit würde jetzt bezweifelt, und nun spricht er      
  03 S. 158. daß auf die transscend. Warheit (vermuthlich eben dieselbe,      
  04 die er bezweifelt nennt) vor der Hand nicht nöthig sey, sich ein zulassen.      
  05 Von der Stelle S. 158 an "Auf diese Art haben selbst die      
  06 Mathematiker die Zeichnung ganzer Wissenschaften vollendet, ohne      
  07 von der Realität des Gegenstandes derselben mit einem      
  08 Worte Erwähnung zu thun u.s.w." zeigt er die gröbste Unwissenheit,      
  09 nicht blos in seiner vorgeblichen Mathematik, sondern auch die      
  10 gänzliche Verkehrtheit im Begriffe von dem, was die Critik d. V. in      
  11 Ansehung der Anschauung fodert, dadurch den Begriffen allein obiective      
  12 Realität gesichert werden kan. Daher muß man bey diesem von ihm      
  13 selbst angeführten Beyspielen etwas verweilen.      
           
  14 Hr. Eberhard will sich von der allem Dogmatism so lästigen,      
  15 aber gleichwohl unnachlaslichen Foderung, keinem Begriffe den Anspruch      
  16 auf den Rang von Erkentnissen einzuräumen, wofern seine      
  17 obiective Realität nicht dadurch [erhellt], daß der Gegenstand in einer      
  18 jenem correspondirenden Anschauung dargestellt werden könne, dadurch      
  19 losmachen, daß er sich auf Mathematiker beruft, die nicht mit einem      
  20 Worte von der Realität des Gegenstandes ihrer Begriffe Erwähnung      
  21 gethan haben sollen und doch die Zeichnung ganzer Wissenschaften      
  22 vollendet hätten; Eine unglücklichere Wahl von Beyspielen zur Rechtfertigung      
  23 seines Verfahrens hätte er nicht treffen können. Denn es      
  24 ist gerade umgekehrt: sie können nicht den mindesten Ausspruch über      
  25 irgend einen Gegenstand thun, ohne ihn (oder, wenn es blos um      
  26 Größen ohne Qvalität, wie in der Algebra, zu thun ist, die unter      
  27 angenommenen Zeichen gedachte Größenverhältnisse) in der Anschauung      
  28 darzulegen. Er hat, wie es überhaupt seine Gewonheit ist, anstatt      
  29 der Sache selbst durch eigene Untersuchung nachzugehen, Bücher durchgeblättert,      
  30 die er nicht verstand und in Borelli dem Herausgeber der      
  31 Conic. Apollonii eine Stelle "Subiectum enim - - - delineandi      
  32 aufgetrieben, die ihm recht erwünscht in seinen Kram gekommen zu      
  33 seyn scheint. Hätte er aber nur den mindesten Begrif von der Sache      
  34 von der Borelli spricht, so würde er finden: daß die Definition die      
  35 Apollonius z. B. von der Parabel giebt schon selbst die Darstellung      
  36 eines Begrifs in der Anschauung nämlich in dem unter gewissen Bedingungen      
  37 geschehenden Schnitte des Kegels war und daß die obiective      
           
     

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