Kant: AA VIII, Zum ewigen Frieden. Ein ... , Seite 385 |
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01 | Publicität vertragen, dieselbe darum auch gerecht sind, weil, wer die entschiedene | ||||||
02 | Obermacht hat, seiner Maximen nicht hehl haben darf. - Die | ||||||
03 | Bedingung der Möglichkeit eines Völkerrechts überhaupt ist: daß zuvörderst | ||||||
04 | ein rechtlicher Zustand existire. Denn ohne diesen giebts kein | ||||||
05 | öffentliches Recht, sondern alles Recht, was man sich außer demselben | ||||||
06 | denken mag (im Naturzustande), ist bloß Privatrecht. Nun haben wir oben | ||||||
07 | gesehen: daß ein föderativer Zustand der Staaten, welcher bloß die Entfernung | ||||||
08 | des Krieges zur Absicht hat, der einzige mit der Freiheit derselben | ||||||
09 | vereinbare rechtliche Zustand sei. Also ist die Zusammenstimmung | ||||||
10 | der Politik mit der Moral nur in einem föderativen Verein (der also nach | ||||||
11 | Rechtsprincipien a priori gegeben und nothwendig ist) möglich, und alle | ||||||
12 | Staatsklugheit hat zur rechtlichen Basis die Stiftung des ersteren in ihrem | ||||||
13 | größt=möglichen Umfange, ohne welchen Zweck alle ihre Klügelei Unweisheit | ||||||
14 | und verschleierte Ungerechtigkeit ist. - Diese Afterpolitik hat nun | ||||||
15 | ihre Casuistik trotz der besten Jesuiterschule - die reservatio mentalis : | ||||||
16 | in Abfassung öffentlicher Verträge mit solchen Ausdrücken, die man gelegentlich | ||||||
17 | zu seinem Vortheil auslegen kann, wie man will (z. B. den Unterschied | ||||||
18 | des status quo de fait und de droit ); - den Probabilismus: böse | ||||||
19 | Absichten an Anderen zu erklügeln, oder auch Wahrscheinlichkeiten ihres | ||||||
20 | möglichen Übergewichts zum Rechtsgrunde der Untergrabung anderer, | ||||||
21 | friedlicher Staaten zu machen; - endlich das peccatum philosophicum | ||||||
22 | ( peccatillum , bagatelle ): das Verschlingen eines kleinen Staats, wenn | ||||||
23 | dadurch ein viel größerer zum vermeintlich größern Weltbesten gewinnt, | ||||||
24 | für eine leicht=verzeihliche Kleinigkeit zu halten*). | ||||||
25 | Den Vorschub hiezu giebt die Zweizüngigkeit der Politik in Ansehung | ||||||
26 | der Moral, einen oder den andern Zweig derselben zu ihrer Absicht zu | ||||||
27 | benutzen. - Beides, die Menschenliebe und die Achtung fürs Recht der | ||||||
28 | Menschen, ist Pflicht; jene aber nur bedingte, diese dagegen unbedingte, | ||||||
29 | schlechthin gebietende Pflicht, welche nicht übertreten zu haben derjenige | ||||||
30 | zuerst völlig versichert sein muß, der sich dem süßen Gefühl des Wohlthuns | ||||||
*) Die Belege zu solchen Maximen kann man in des Herrn Hofr. Garve Abhandlung: "Über die Verbindung der Moral mit der Politik, 1788," antreffen. Dieser würdige Gelehrte gesteht gleich zu Anfange, eine genugthuende Antwort auf diese Frage nicht geben zu können. Aber sie dennoch gut zu heißen, obzwar mit dem Geständniß, die dagegen sich regende Einwürfe nicht völlig heben zu können, scheint doch eine größere Nachgiebigkeit gegen die zu sein, die sehr geneigt sind, sie zu mißbrauchen, als wohl rathsam sein möchte, einzuräumen. | |||||||
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