Kant: AA VIII, Zum ewigen Frieden. Ein ... , Seite 373 |
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01 | oder arglistig bemengt, mit Recht den Strafen des Aufrührers unterworfen | ||||||
02 | sein würde. Was aber das äußere Staatenverhältniß betrifft, so | ||||||
03 | kann von einem Staat nicht verlangt werden, daß er seine, obgleich despotische, | ||||||
04 | Verfassung (die aber doch die stärkere in Beziehung auf äußere | ||||||
05 | Feinde ist) ablegen solle, so lange er Gefahr läuft, von andern Staaten sofort | ||||||
06 | verschlungen zu werden; mithin muß bei jenem Vorsatz doch auch die | ||||||
07 | Verzögerung der Ausführung bis zu besserer Zeitgelegenheit erlaubt sein*). | ||||||
08 | Es mag also immer sein: daß die despotisirende (in der Ausübung | ||||||
09 | fehlende) Moralisten wider die Staatsklugheit (durch übereilt genommene | ||||||
10 | oder angepriesene Maßregeln) mannigfaltig verstoßen, so muß sie doch | ||||||
11 | die Erfahrung bei diesem ihrem Verstoß wider die Natur nach und nach | ||||||
12 | in ein besseres Gleis bringen; statt dessen die moralisirende Politiker durch | ||||||
13 | Beschönigung rechtswidriger Staatsprincipien unter dem Vorwande einer | ||||||
14 | des Guten nach der Idee, wie sie die Vernunft vorschreibt, nicht fähigen | ||||||
15 | menschlichen Natur, so viel an ihnen ist, das Besserwerden unmöglich | ||||||
16 | machen und die Rechtsverletzung verewigen. | ||||||
17 | Statt der Praxis, deren sich diese staatskluge Männer rühmen, gehen | ||||||
18 | sie mit Praktiken um, indem sie blos darauf bedacht sind, dadurch, daß sie | ||||||
19 | der jetzt herrschenden Gewalt zum Munde reden (um ihren Privatvortheil | ||||||
20 | nicht zu verfehlen), das Volk und wo möglich die ganze Welt preis zu | ||||||
21 | geben; nach der Art ächter Juristen (vom Handwerke, nicht von der Gesetzgebung), | ||||||
22 | wenn sie sich bis zur Politik versteigen. Denn da dieser | ||||||
23 | ihr Geschäfte nicht ist, über Gesetzgebung selbst zu vernünfteln, sondern | ||||||
24 | die gegenwärtige Gebote des Landrechts zu vollziehen, so muß ihnen jede | ||||||
25 | jetzt vorhandene gesetzliche Verfassung und, wenn diese höhern Orts abgeändert | ||||||
26 | wird, die nun folgende immer die beste sein; wo dann alles so in | ||||||
*) Dies sind Erlaubnißgesetze der Vernunft, den Stand eines mit Ungerechtigkeit behafteten öffentlichen Rechts noch so lange beharren zu lassen, bis zur völligen Umwälzung alles entweder von selbst gereift, oder durch friedliche Mittel der Reife nahe gebracht worden: weil doch irgend eine rechtliche, obzwar nur in geringem Grade rechtmäßige, Verfassung besser ist als gar keine, welches letztere Schicksal (der Anarchie) eine übereilte Reform treffen würde. - Die Staatsweisheit wird sich also in dem Zustande, worin die Dinge jetzt sind, Reformen dem Ideal des öffentlichen Rechts angemessen zur Pflicht machen; Revolutionen aber, wo sie die Natur von selbst herbei führt, nicht zur Beschönigung einer noch größeren Unterdrückung, sondern als ruf der Natur benutzen, eine auf Freiheitsprincipien gegründete gesetzliche Verfassung, als die einzige dauerhafte, durch gründliche Reform zu Stande zu bringen. | |||||||
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