Kant: AA VIII, Recensionen von J. G. Herders ... , Seite 052

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 Kreis des Erdlebens unbrauchbar geworden; so daß es natürlich scheint,      
  02 daß die innere rastlose Kraft vielleicht Eindrücke empfange, deren eine      
  03 ungestörte Organisation nicht fähig war. - Doch soll der Mensch sich nicht      
  04 in seinen künftigen Zustand hineinschauen, sondern sich hineinglauben."      
  05 (Wie aber, wenn er einmal glaubt, daß er sich hineinschauen könne, kann      
  06 man ihm verwehren, daß er nicht bisweilen von diesem Vermögen Gebrauch      
  07 zu machen suche?) - "So viel ist gewiß, daß in jeder seiner Kräfte eine      
  08 Unendlichkeit liegt; auch die Kräfte des Weltalls scheinen in der Seele verborgen,      
  09 und sie bedarf nur einer Organisation, oder einer Reihe von      
  10 Organisationen, diese in Thätigkeit und Übung setzen zu dürfen. - Wie      
  11 also die Blume da stand und in aufgerichteter Gestalt das Reich der      
  12 unterirdischen, noch unbelebten Schöpfung schloß, - so steht über allen      
  13 zur Erde Gebückten (Thieren) der Mensch wieder aufrecht da. Mit      
  14 erhabenem Blick und aufgehobenen Händen stehet er da, als ein Sohn des      
  15 Hauses den Ruf seines Vaters erwartend."      
           
  16
Beilage.
     
           
  17 Die Idee und Endabsicht dieses ersten Theils (eines, wie es der Anschein      
  18 giebt, auf viele Bände angelegten Werks) besteht in folgendem. Es      
  19 soll mit Vermeidung aller metaphysischen Untersuchungen die geistige Natur      
  20 der menschlichen Seele, ihre Beharrlichkeit und Fortschritte in der Vollkommenheit      
  21 aus der Analogie mit den Naturbildungen der Materie vornehmlich      
  22 in ihrer Organisation bewiesen werden. Zu diesem Behuf werden      
  23 geistige Kräfte, zu welchen Materie nur den Bauzeug ausmacht, ein gewisses      
  24 unsichtbares Reich der Schöpfung, angenommen, welches die belebende      
  25 Kraft enthalte, die alles organisirt, und zwar so, daß das Schema      
  26 der Vollkommenheit dieser Organisation der Mensch sei, welchem sich alle      
  27 Erdgeschöpfe von der niedrigsten Stufe an nähern, bis endlich durch nichts      
  28 als diese vollendete Organisation, deren Bedingung vornehmlich der aufrechte      
  29 Gang des Thiers sei, der Mensch ward, dessen Tod nimmermehr      
  30 den schon vorher umständlich an allen Arten von Geschöpfen gezeigten      
  31 Fortgang und Steigerung der Organisationen endigen könne, sondern      
  32 vielmehr einen Überschritt der Natur zu noch mehr verfeinerten Operationen      
  33 erwarten lasse, um ihn dadurch zu künftigen noch höhern Stufen des      
  34 Lebens und so fortan ins Unendliche zu fördern und zu erheben. Recensent      
  35 muß gestehen: daß er diese Schlußfolge aus der Analogie der Natur, wenn      
           
     

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