Kant: AA VIII, Recensionen von J. G. Herders ... , Seite 051 |
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01 | Daß die Menschen=Organisation in einem Reiche geistiger Kräfte | ||||||
02 | geschehe, wird so gezeigt: "Der Gedanke ist ganz ein ander Ding, als | ||||||
03 | was ihr der Sinn zuführt; alle Erfahrungen über ihren Ursprung sind | ||||||
04 | Beläge von Wirkung eines zwar organischen, aber dennoch eigenmächtigen, | ||||||
05 | nach Gesetzen geistiger Verbindung wirkenden Wesens. 2. Wie der Leib | ||||||
06 | durch Speise zunimmt, so der Geist durch Ideen; ja wir bemerken bei ihm | ||||||
07 | eben die Gesetze der Assimilation, des Wachsthums und der Hervorbringung. | ||||||
08 | Kurz es wird in uns ein innerer geistiger Mensch gebildet, der seiner eigenen | ||||||
09 | Natur ist und den Körper nur als Werkzeug braucht. - Das hellere | ||||||
10 | Bewußtsein, dieser große Vorzug der menschlichen Seele, ist derselben auf | ||||||
11 | eine geistige Weise durch die Humanität erst zugebildet worden etc." | ||||||
12 | mit einem Worte, wenn wir es recht verstehen: die Seele ist aus geistigen | ||||||
13 | nach und nach hinzu kommenden Kräften allererst geworden. - "Unsere | ||||||
14 | Humanität ist nur Vorübung, die Knospe zu einer zukünftigen Blume. | ||||||
15 | Die Natur wirft Schritt vor Schritt das Unedle weg, bauet dagegen das | ||||||
16 | Geistige an, führet das Feine noch feiner aus, und so können wir von ihrer | ||||||
17 | Künstlerhand hoffen, daß auch unsere Knospe der Humanität in jenem | ||||||
18 | Dasein in ihrer eigentlichen, wahren, göttlichen Menschengestalt erscheinen | ||||||
19 | werde." | ||||||
20 | Den Beschluß macht der Satz: "Der jetzige Zustand des Menschen ist | ||||||
21 | wahrscheinlich das verbindende Mittelglied zweier Welten. - Wenn der | ||||||
22 | Mensch die Kette der Erdorganisationen als ihr höchstes und letztes Glied | ||||||
23 | schließt, so fängt er auch eben dadurch die Kette einer höhern Gattung von | ||||||
24 | Geschöpfen als ihr niedrigstes Glied an, und so ist er wahrscheinlich der | ||||||
25 | Mittelring zwischen zwei in einander greifenden Systemen der Schöpfung. | ||||||
26 | - Er stellet uns zwei Welten auf einmal dar, und das macht die anscheinende | ||||||
27 | Duplicität seines Wesens. - Das Leben ist ein Kampf und | ||||||
28 | die Blume der reinen, unsterblichen Humanität eine schwer errungene | ||||||
29 | Krone. - Unsere Brüder der höhern Stufe lieben uns daher gewiß mehr, | ||||||
30 | als wir sie suchen und lieben können; denn sie sehen unsern Zustand | ||||||
31 | klärer, - und sie erziehen an uns vielleicht ihres Glücks Theilnehmer. | ||||||
32 | Es läßt sich nicht wohl vorstellen: daß der künftige Zustand dem jetzigen | ||||||
33 | so ganz unmittheilbar sein sollte, als das Thier im Menschen gern glauben | ||||||
34 | möchte, - so scheint ohne höhere Anleitung die Sprache und erste Wissenschaft | ||||||
35 | unerklärlich. - Auch in spätern Zeiten sind die größten Wirkungen | ||||||
36 | auf der Erde durch unerklärliche Umstände entstanden, - selbst Krankheiten | ||||||
37 | waren oft Werkzeuge dazu, wenn das Organ für den gewöhnlichen | ||||||
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