Kant: AA VIII, Recensionen von J. G. Herders ... , Seite 049 |
|||||||
Zeile:
|
Text (Kant):
|
|
|
||||
01 | Gehirns, die der Mensch hat; er hat sie aber nach der Gestalt seines | ||||||
02 | Schädels in einer zurückgedrückten Lage, und diese hatte er, weil sein Kopf | ||||||
03 | unter einem andern Winkel geformt und er nicht zum aufrechten Gange | ||||||
04 | gemacht war. Sofort wirkten alle organische Kräfte anders, - "blick also | ||||||
05 | gen Himmel, o Mensch, und erfreue dich schaudernd deines unermeßlichen | ||||||
06 | Vorzugs, den der Schöpfer der Welt an ein so einfaches Principium, deine | ||||||
07 | aufrechte Gestalt, knüpfte. - Über die Erde und Kräuter erhoben, herrscht | ||||||
08 | der Geruch nicht mehr, sondern das Auge. - Mit dem aufgerichteten | ||||||
09 | Gange wurde der Mensch ein Kunstgeschöpf, er bekam freie und künstliche | ||||||
10 | Hände, - nur im aufrechten Gange findet wahre menschliche Sprache | ||||||
11 | statt. - Theoretisch und praktisch ist Vernunft nichts als etwas Vernommenes, | ||||||
12 | gelernte Proportion und Richtung der Ideen und Kräfte, | ||||||
13 | zu welcher der Mensch nach seiner Organisation und Lebensweise gebildet | ||||||
14 | worden." Und nun Freiheit. "Der Mensch ist der erste Freigelassene der | ||||||
15 | Schöpfung, er steht aufrecht." Die Scham: "Sie mußte sich bei aufrechter | ||||||
16 | Gestalt bald entwickeln." Seine Natur ist keiner sonderlichen Varietät | ||||||
17 | unterworfen. "Wodurch dieses? Durch seine aufrechte Gestalt, durch nichts | ||||||
18 | anders. - Er ist zur Humanität gebildet; Friedlichkeit, Geschlechtsliebe, | ||||||
19 | Sympathie, Mutterliebe, eine Sprosse der Humanität seiner aufgerichteten | ||||||
20 | Bildung - die Regel der Gerechtigkeit und Wahrheit gründet sich auf die | ||||||
21 | aufrechte Gestalt des Menschen selbst, diese bildet ihn auch zur Wohlanständigkeit; | ||||||
22 | Religion ist die höchste Humanität. Das gebückte Thier empfindet | ||||||
23 | dunkel; den Menschen erhob Gott, daß er, selbst ohne daß er es wei | ||||||
24 | und will, Ursachen der Dinge nachspähe und dich finde, du großer Zusammenhang | ||||||
25 | aller Dinge. Religion aber bringt Hoffnung und Glaube an | ||||||
26 | Unsterblichkeit hervor." Von dieser letztern redet das fünfte Buch. "Vom | ||||||
27 | Stein zu Krystallen, von diesen zu Metallen, von diesen zur Pflanzenschöpfung, | ||||||
28 | von da zum Thier, endlich zum Menschen sahen wir die Form | ||||||
29 | der Organisation steigen, mit ihr auch die Kräfte und Triebe des Geschöpfs | ||||||
30 | vielartiger werden und sich endlich alle in der Gestalt des Menschen, so | ||||||
31 | fern diese sie fassen konnte, vereinigen. -" | ||||||
32 | "Durch diese Reihe von Wesen bemerkten wir eine Ähnlichkeit der | ||||||
33 | Hauptform, die sich immer mehr der Menschengestalt nahete - eben so | ||||||
34 | sahen wir auch die Kräfte und Triebe sich ihm nähern. - Bei jedem Geschöpf | ||||||
35 | war nach dem Zweck der Natur, den es zu befördern hatte, auch seine | ||||||
36 | Lebensdauer eingerichtet. - Je organisirter ein Geschöpf ist, desto mehr | ||||||
37 | ist sein Bau zusammengesetzt aus den niedrigen Reichen. Der Mensch | ||||||
[ Seite 048 ] [ Seite 050 ] [ Inhaltsverzeichnis ] |