Kant: AA VIII, Recensionen von J. G. Herders ... , Seite 048

     
           
 

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Text (Kant):

 

 

 

 
  01 aus dem todten Pflanzenleben lebendigen Reiz, und aus der Summe      
  02 dieses, durch feine Canäle geläutert, das Medium der Empfindung. Das      
  03 Resultat der Reize wird Trieb, das Resultat der Empfindung Gedanke,      
  04 ein ewiger Fortgang von organischer Schöpfung, der in jedes lebendige      
  05 Geschöpf gelegt ward." Der Verfasser rechnet nicht auf Keime,      
  06 sondern eine organische Kraft, so bei Pflanzen als Thieren. Er sagt: "So      
  07 wie die Pflanze selbst organisch Leben ist, ist auch der Polyp organisch      
  08 Leben. Es sind daher viele organische Kräfte, die der Vegetation, der      
  09 Muskelreize, der Empfindung. Je mehr und feinere Nerven, je größer      
  10 das Gehirn, desto verständiger wird die Gattung. Thierseele ist die      
  11 Summe aller in einer Organisation wirkenden Kräfte," und der Instinct      
  12 nicht eine besondere Naturkraft, sondern die Richtung, die die Natur jenen      
  13 sämmtlichen Kräften durch ihre Temperatur gab. Je mehr das eine organische      
  14 Principium der Natur, das wir jetzt bildend (im Stein), jetzt      
  15 treibend (in Pflanzen), jetzt empfindend, jetzt künstlich bauend      
  16 nennen und im Grunde nur eine und dieselbe organische Kraft ist, in mehr      
  17 Werkzeuge und verschiedentliche Glieder vertheilt ist, je mehr es in denselben      
  18 eine eigene Welt hat, - desto mehr verschwindet der Instinct, und      
  19 ein eigner freier Gebrauch der Sinne und Glieder (wie etwa beim Menschen)      
  20 fängt an. Endlich kommt der Autor zu dem wesentlichen Naturunterschiede      
  21 des Menschen. "Der aufrechte Gang des Menschen ist ihm      
  22 einzig natürlich, ja er ist die Organisation zum ganzen Beruf seiner      
  23 Gattung und sein unterscheidender Charakter."      
           
  24 Nicht weil er zur Vernunft bestimmt war, ward ihm zum Gebrauch      
  25 seiner Gliedmaßen nach der Vernunft die aufrechte Stellung angewiesen,      
  26 sondern er bekam Vernunft durch die aufrechte Stellung, als die natürliche      
  27 Wirkung eben derselben Anstalt, die nöthig war, um ihn blos aufrecht gehen      
  28 zu lassen. "Lasset uns bei diesem heiligen Kunstwerk, der Wohlthat, durch      
  29 die unser Geschlecht ein Menschengeschlecht ward, mit dankbaren Blicken      
  30 verweilen, mit Verwunderung, weil wir sehen, welche neue Organisation      
  31 von Kräften in der aufrechten Gestalt der Menschheit anfange, und wie      
  32 allein durch sie der Mensch ein Mensch ward!"      
           
  33 Im vierten Buch führt der Hr. Verf. diesen Punkt weiter aus:      
  34 "Was fehlt dem menschenähnlichen Geschöpfe (dem Affen), daß er kein      
  35 Mensch ward," - und wodurch ward dieser es? Durch die Formung      
  36 des Kopfs zur aufrechten Gestalt, durch innere und äußere Organisation      
  37 zum perpendiculären Schwerpunkt; - der Affe hat alle Theile des      
           
     

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