Kant: AA VI, Die Metaphysik der Sitten. ... , Seite 293 |
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01 | nicht bestimmt werden kann und darf) nur zum Behuf der Gewißheit | ||||||
02 | dieser Unterlassung angeführt wird. Daß aber ein bisher unbekannter | ||||||
03 | Besitzer, wenn jener Besitzact (es sei auch ohne seine Schuld) unterbrochen | ||||||
04 | worden, die Sache immer wiedererlangen (vindiciren) könne ( dominia | ||||||
05 | rerum incerta facere ), widerspricht dem obigen Postulat der rechtlich | ||||||
06 | praktischen Vernunft. | ||||||
07 | Nun kann ihm aber, wenn er ein Glied des gemeinen Wesens ist, | ||||||
08 | d. i. im bürgerlichen Zustande, der Staat wohl seinen Besitz (stellvertretend) | ||||||
09 | erhalten, ob dieser gleich als Privatbesitz unterbrochen war, und | ||||||
10 | der jetzige Besitzer darf seinen Titel der Erwerbung bis zur ersten nicht | ||||||
11 | beweisen, noch auch sich auf den der Ersitzung gründen. Aber im Naturzustande | ||||||
12 | ist der letztere rechtmäßig, nicht eigentlich eine Sache dadurch zu | ||||||
13 | erwerben, sondern ohne einen rechtlichen Act sich im Besitz derselben zu | ||||||
14 | erhalten: welche Befreiung von Ansprüchen dann auch Erwerbung genannt | ||||||
15 | zu werden pflegt. - Die Präscription des älteren Besitzers gehört | ||||||
16 | also zum Naturrecht ( est iuris naturae ). | ||||||
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21 | Die Beerbung ist die Übertragung ( translatio ) der Habe und des | ||||||
22 | Guts eines Sterbenden auf den Überlebenden durch Zusammenstimmung | ||||||
23 | des Willens beider. - Die Erwerbung des Erbnehmers ( haeredis instituti ) | ||||||
24 | und die Verlassung des Erblassers ( testatoris ), d. i. dieser Wechsel | ||||||
25 | des Mein und Dein, geschieht in einem Augenblick ( articulo mortis ), | ||||||
26 | nämlich da der letztere eben aufhört zu sein, und ist also eigentlich keine | ||||||
27 | Übertragung ( translatio ) im empirischen Sinn, welche zwei Actus nach einander, | ||||||
28 | nämlich wo der eine zuerst seinen Besitz verläßt, und darauf der | ||||||
29 | Andere darin eintritt, voraussetzt; sondern eine ideale Erwerbung. | ||||||
30 | Da die Beerbung ohne Vermächtniß ( dispositio ultimae voluntatis ) im | ||||||
31 | Naturzustande nicht gedacht werden kann, und, ob es ein Erbvertrag | ||||||
32 | ( pactum successorium ), oder einseitige Erbeseinsetzung ( testamentum ) | ||||||
33 | sei, es bei der Frage, ob und wie gerade in demselben Augenblick, | ||||||
34 | da das Subject aufhört zu sein, ein Übergang des Mein und Dein möglich | ||||||
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